Schriftstellerei: Vier Missverständnisse zur Schreibblockade
von Thomas Poppner
Die meisten Möchtegern-Schriftsteller unter uns werden es kennen: Das Gefühl, einfach im Flow zu sein. Nachts kannst du nicht schlafen. Du willst einfach schreiben. Dein Gehirn produziert schneller Ideen, als du mit dem Schreiben hinterherkommst. Eine solche Phase empfinden wir Schreiberlinge als außerordentlich befriedigend.
Dann plötzlich ist es vorbei. Du sitzt vor dem Rechner und hast keine Einfälle mehr. Vielleicht sitzt du auch vor dem Fernseher und hast nicht einmal mehr Motivation, dich vor den Rechner zu setzen. Und nun kommen sie – die vielen Klischees zur Schreibblockade. Viele davon sind Unsinn. Schauen wir uns vier davon an.
Missverständnis Nr. 1: Wenn du nicht schreibst, bist du nichts wert
In Foren, Facebook oder sonstwo findet man immer wieder die Ansicht, dass du schreiben musst, um irgendwie ein vollwertiger Mensch zu sein. Ich habe in meinem Leben einige durchgeknallte Hobbys gehabt und kann dir daher sagen, dass es bei Tänzern, Seglern oder bestimmten religiösen Gruppen genauso läuft: Scheinbar gibt es nur dieses eine Hobby. Wer glücklich sein will, muss diesem Hobby nachgehen. Tut man das nicht, wird man bedauert oder sogar kritisiert. Schlimmstenfalls bekommt man suggeriert, man hätte ein tiefgreifendes Problem.
Darum solltest du dich zunächst mal davon lösen, dass du schreiben musst. Es gäbe nur einen einzigen Grund, schreiben zu müssen – nämlich, wenn du damit deinen Lebensunterhalt verdienst. Davon wirst du aber wahrscheinlich sehr weit entfernt sein, denn sonst würdest du diesen Beitrag hier nicht lesen :)
Dein Wert als Mensch hängt nicht an deiner Schreibleistung. Und wenn andere gerade einen Lauf haben, geh mal davon aus, dass der auch bei denen nicht ewig dauern wird.
Missverständnis Nr. 2: Du brauchst niemals eine Pause
Stell dir mal vor, du wärst Sportler. Ich habe zum Beispiel mal Lindy Hop getanzt. Ich habs mal dorthin gespult – hier kriegst du einen Eindruck.
Ist es nicht völlig normal, dass man da auch mal Pause machen muss? Ich erinnere mich noch, als ich drei Wochen in einem Tanzcamp verbracht habe und ein Lehrer zu mir kam, mir auf den Oberschenkel klopfte und sagte: "Use this right leg man!" Ich war nach drei Wochen weder in der Lage, mich noch richtig zu bewegen, noch konnte mein Hirn noch zwischen rechts und links unterscheiden. Aber jeden Abend gab es Vorträge von Leuten, die so taten, als ob es nur das Tanzen gäbe.
Vielleicht ist es einfach so, dass du mal eine Pause brauchst. Diese Pause könntest du nutzen, um selbst mal wieder Bücher zu lesen. Das kommt bei mir nämlich während Kreativphasen zu kurz. Oder du tust einfach mal etwas völlig anderes – suchst dir ein zweites Hobby.
Sich hinzusetzen und traurig zu sein, oder – noch schlimmer – von sich enttäuscht zu sein, halte ich für die falsche Reaktion auf eine Schreibblockade.
Missverständnis Nr. 3: Du hast Kummer
Egal ob Beziehungsfrust, Liebeskummer, Stress auf Arbeit oder Ärger mit den Nachbarn – alles, was Stress erzeugt, schadet deiner Fähigkeit, dich zu konzentrieren.
Ich hatte mal auf einem Seminar zur Work-/Life-Balance gehört, dass bei Stress das Stammhirn (ganz vorn am Kopf) die Kontrolle übernehmen würde. Dieses Stammhirn hätte genau drei Programme:
- Sich tot stellen
- Weglaufen
- Kämpfen
Welches dieser drei Programm wäre nochmal dazu in der Lage, einen Roman zu schreiben? Wenn du im Stress bist, solltest du das vielleicht einfach mal akzeptieren und dich damit auseinandersetzen, wie du diese Stresssituation bewältigen kannst. Auf keinen Fall solltest du deinem Stress noch weiteren hinzufügen, indem du nun auch noch übermäßig produktiv sein willst.
Missverständnis Nr. 4: Das Plotloch
In meiner Fantasygeschichte hatte ich eine fast einjährige Schreibblockade bei ca. Seite 750. Was war geschehen? Meine Feinde waren zu nett. Ja, es klingt sehr wundersam, aber meine Feinde waren tatsächlich zu nett, um sie in einer epischen Schlacht alle auszulöschen. Es musste eine andere Lösung her, das war mir aber längst noch nicht klar.
In einem Moment der Unklarheit, hatte ich meine Helden mit meinem Ork-Verschnitt ein Gespräch führen lassen. Es geschah das, was eben passiert, wenn intelligente Wesen miteinander sprechen. Es entstand Verständnis. Tatsächlich freundeten sich meine Helden mit dem Feind an und umgekehrt. So, als ob Frodo mit Helmut, dem Ork zusammen am Lagerfeuer ein paar Maden gegrillt hätte.
So überarbeitete ich halt meine bestehende Geschichte und schrieb viel zu ausführliche nichtssagende Szenen, die später alle gekürzt oder rausgeworfen wurden. Über ein Jahr lang geschah nichts weltbewegendes, bis ich die Idee zu einem Anstifter hatte. Diese Zeit des Reifens hatte der Geschichte gut getan.
Wenn du mit dem Schreiben nicht weiterkommst – hast du schon mal deinen Plot daraufhin abgeklopft, ob du überhaupt weißt, wie es weitergehen wird? Könnte es sein, dass dir gerade die Idee zur Fortsetzung der Geschichte fehlt? Wenn dem so sein sollte: Wie kannst du von dir erwarten, an deiner Geschichte zu schreiben, wenn du gar nicht weißt, über was du schreiben willst?
Mir helfen in solchen Situationen lange Spaziergänge. Manchmal hilft nur Zeit. Wenn du mit dem Schreiben ohnehin nicht deinen Lebensunterhalt bestreiten musst, aber unbedingt weiter schreiben willst – wie wäre es denn damit, einfach eine neue Story anzufangen. Ich würde das keinesfalls als optimale Lösung empfehlen. Aber wenn du Ideen brauchst, musst du eben manchmal auf Zeit spielen.
Fazit
Wenn es mit dem Schreiben gerade nicht klappen will, schau dir an, warum es nicht klappt.
Erwarte von dir nicht, Superman zu sein (oder Supergirl).
Genieße das Leben. Etwas Schönes zu unternehmen war für mich bisher immer der beste Motivationsspender.
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