Meinung: Sind AfD-Wähler Nazis?
von Thomas Poppner
Ich empfinde Rassismus und Feindlichkeit gegenüber anderen unerträglich. Ich halte es auch für richtig, dagegen aufzustehen. Mir macht aber ein Verhalten Sorge, das ich bei Facebook seit einiger Zeit erlebe. Wähler einer (zumindest noch) erlaubten politischen Partei werden als Nazi beschimpft. Man kündigt ihnen quasi öffentlich die Freundschaft: "Wenn du AfD wählst, dann entfreunde mich bitte."
Gibt es irgendjemanden auf dieser Welt, der ernsthaft glaubt, mit einem solchen Verhalten Erfolge gegen Rechts zu erzielen? Wenn du Leuten Druck machst, dann wird es nur umso wärmer in ihrer rechten Blase. Es gibt Leute, denen muss man Druck machen. Die muss man auch mit der vollen Härte des Gesetzes verfolgen. Aber solange die AfD erlaubt ist, gehört das Wählen dieser Partei eben nicht dazu.
Habt ihr denn alle so wenig Umgang mit anderen Menschen (oder hört ihr ihnen so wenig zu), dass in eurem Umfeld niemand mit einem solchen Persönlichkeitsprofil vorkommt?
Ich sehe fünf Gruppen von Menschen, die AfD wählen. Diese sind in meinen Augen:
- Die Scharfmacher
- Die Gewalttätigen
- Die Verbohrten
- Die Dummen
- Die Frustrierten
Schauen wir und die einmal an.
1. Die Scharfmacher
Das sind diejenigen, welche in der Partei aus Eigeninteressen (Geld, Macht) eine politische Ansicht vertreten, weil es ihnen nützt. Sie wollen also Leute um sich scharen, um dann für die ein gut bezahltes Amt auszuüben. Dazu hat sicher jeder ein paar Gesichter im Kopf und mit denen würde ich sicher nicht diskutieren wollen. Einen davon darf man ja offziell einen Nazi nennen. Ich würde das trotzdem nicht tun. Weniger wegen ihm (also dieser Person), sondern mehr wegen dessen Schäfchen, die drumherum stehen. Denn unter denen werden durchaus einige sein, die noch erreichbar sind.
2. Die Gewalttätigen
Wer gewalttätig ist, Flüchtlingsheime anzündet oder auch Leute – gleich welcher Art – beschimpft oder bedrängt, dem ist vorerst nicht zu helfen. Sein Verhalten stellt allerdings häufig auch einen Straftatbestand dar.
Für diese Menschen habe ich kein Verständnis. Ob man sich einen Gefallen tut, wenn man sie beschimpft – das muss jeder für sich beantworten. Vielleicht wäre es eher eine Option, sie einfach anzuzeigen.
3. Die Verbohrten
Ich hatte einen verbohrten Freund auf Facebook. Von diesem Typen, den ich aus persönlichen Gründen nie entfeundet hatte, kam irgendwann die Meldung: "Es ist nun offiziell. Ich bin kein Nazi mehr."
Es gibt Verbohrte, mit denen kann man nicht reden. Vielleicht ist es meine Art, aber zu vielen einen Draht zu bekommen. Ich hatte durchaus Beiträge von ihm kommentiert. Und es waren unappetitliche Beiträge dabei – Youtube-Videoausschnitte aus Schindlers-Liste, die aus dem Zusammenhang gerissen grenzwertig waren.
Man kann diesen Leuten ja durchaus deutlich machen, dass man ihre Ansichten problematisch findet. Aber wohin sollen sie sich denn wenden und wie sollen sie denn wieder "normal" werden, wenn sie niemanden mehr haben, der "normal" ist? Oder glaubst du, dass es irgendetwas ändert, wenn du sie beschimpfst?
4. Die Dummen
Es gibt in Deutschland jede Menge Menschen, die nicht mit großer Klugheit gesegnet sind. Ich arbeite fast mein Leben lang im Bankgeschäft. Je nach Branche begegnet man denen dort kaum. Das ändert nichts daran, dass es sie gibt. Für mich persönlich fängt Dummheit schon beim Lesen der Bildzeitung an. Das würde dann schon mal den Prokuristen meines Ausbildungsbetriebs einschließen.
Menschen, die wenig nachdenken und reflektieren, sind empfänglich für einfache Lösungen. Da ich nun aber in einem Bodenbelags-Betrieb gelernt und auch mal ein halbes Jahr in der Chemiebranche gearbeitet habe, weiß ich: Viele dieser Leute wissen, dass sie nicht so wahnsinnig denkwillig (oder denkbegabt) sind.
Ich werde mich hier jetzt nicht als jemand darstellen, der massenhaft Wunderlinge "bekehrt" hat. Aber durchaus häufig habe ich in meinem Leben erlebt, dass diese Menschen offen sind, Zusammenhänge erklärt zu bekommen. Der Satz – "So vereinfacht, wie du das gerade darstellst, ist es leider nicht" – wirkt Wunder. Aber nur, wenn dich dein Gegenüber ernst nimmt. Und selbst wenn man neutral wieder auseinander geht – im Wissen, dass man diesem Menschen gerade zu einer Horizontserweiterung verholfen hat, über die der jetzt mal nachdenken muss. Ist das kein Erfolg?
Häufig wurden "dumme" Menschen nämlich selbst schon ausgegrenzt. Dies dann allerdings von den "intelligenten". Und wer möchte schon von jemandem abgewertet werden? Wenn man sich mit diesen weniger denkbegabten Menschen auf einer normalen Ebene unterhält, empfinden die das durchaus interessant. Es muss halt nur klar sein, dass keiner von beiden etwas Besseres ist. Ich bin zum Beispiel handwerklich eher unbegabt. Auf so einer Ebene kann man sich treffen.
Wenn ich aber einen dummen Menschen als Nazi beschimpfe. Sei es, weil er nicht denkbegabt ist. Sei es, weil er nicht denkwillig ist – wie dein Kollege, der sich dumm stellt, weil er bemerkt hat, dass er dann weniger arbeiten muss. Wie verhält sich ein solcher dummer Mensch dann? Glaubst du, er wird dich ernst nehmen, wenn du ihn von oben herab abkanzelst?
Ich weiß heute, dass ich hochintelligent bin. Ich musste über fünfzig werden, bis man mir das eröffnet hat. Darum kann ich dir sagen: Intelligenz sagt nichts über deinen Wert als Mensch aus. Und irgendwie nervt sie nur. Ich durchschaue offenbar schneller Zusammenhänge als viele. Ja, und? Bedeutet das, dass ich mich über die erheben darf, die das nicht tun? Oder habe ich vielleicht als intelligenterer und reflektierender Mensch auch einen Auftrag?
Aus diesem Grund möchte ich keine anderen Menschen als Nazi beschimpfen.
5. Die Frustrierten
Übrig sind nun noch die, welche nicht verbohrt sind und auch reflektieren können. Die wollen es "denen da oben" halt mal zeigen. Deswegen AfD zu wählen ist aber der falsche Weg.
Es ist aber auch der falsche Weg, unsere Sprache durch wundersame Sprachformen anzureichern, die von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt werden. Irgendeine Apotheke in Frankfurt darf sich nicht mehr M****apotheke nennen. Ja, sorry. Wenn ich mich auf der linken Seite so unklug verhalte und derartig wenig nachvollziehbare Gesetze mache – warum wundere ich mich, wenn es auf der rechten Seite Zulauf gibt? Dort treffen sich die gleichen dummen Menschen, die auf sich auf der linken Seite für besonders klug halten.
Und wir haben im Osten Deutschlands strukturelle Probleme. Ich habe dort keine Kontakte mehr hin. Aber soweit ich informiert bin, wachsen dort Kinder in Perspektivlosigkeit auf. Nochmal sorry. Aber wenn Leute keine Lebensperspektive haben, werden sie sonderbar. Das wird auch nicht dadurch besser, wenn ich sie dann als Nazis beschimpfe und sie aus der Gesellschaft ausschließen will. Denn das sind deutsche Wähler – ob es dir passt oder nicht.
Wenn wir solche trostlosen Inseln in Deutschland haben, müssen wir eben etwas dagegen tun. Aber etwas dagegen tun, ist in erster Linie, etwas für die Leute dort zu tun.
Wenn ich mich mit frustrierten Menschen unterhalten habe, haben nahezu alle für meine Position zumindest Sympathien gezeigt. Ich muss von niemandem erwarten, dass er in meinem Beisein seine Ansichten wechselt. Aber wenn ich an den Augen sehe, dass da gerade jemand eine Denkaufgabe erhalten hat – dann ist das ein großer Erfolg.
Wenn ich diese frustrierten AfD-Wähler aber beschimpfe und mich nicht mit ihnen unterhalte – na, wen kennen die dann eins, zwei Jahren noch? Doch nur noch andere frustrierte, dumme oder verbohrte AfD-Wähler.
Fazit
In meiner Vergangenheit bin ich Menschen immer näher gekommen, wenn ich mit ihnen gesprochen habe. Man kann mir vorwerfen, dass ich mich angebiedert hätte, aber ich habe mich niemals als jemand positioniert, der über jemand anderem steht. Wenn man miteinander spricht, entstehen Beziehungen – das weiß jeder Obdachlose, der dich am Straßenrand fragt, ob er dir eine Frage stellen darf. Und jeder, der dann schon mal Ja gesagt hat, weiß: Es fällt dann schwerer, Nein zu sagen.
Ich wünsche mir darum, dass wir mehr miteinander sprechen, statt übereinander. Und vor allem wünsche ich mir, dass wir nicht jedem, der eine für uns nicht nachvollziehbare Ansicht vertritt, immer gleich das negativ möglichste Etikett an die Stirn kleben.
Wenn du stolz darauf bist, dass du in sozialen Netzwerken keine Freunde mehr hast, die grundsätzlich andere Positionen vertreten als du selbst – vielleicht bist du dann dem "Bösen", gegen das du vermeintlich kämpfst, schon viel ähnlicher, als dir bewusst ist.
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