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Meinung: Warum ich gegen das Gendern bin

von Thomas Poppner

Perfektionismus beim Gendern

Perfektionismus ist Gift. Warum ist das so? Weil es unmöglich ist, etwas perfekt zu machen. Der Wunsch, es trotzdem zu tun, endet in aller Regel damit, dass du desillusioniert und ausgebrannt in der Ecke liegst. Statt zu erreichen, was du perfekt machen wolltest, hast du gar nichts oder kaum etwas erreicht.

Schauen wir uns die DSGVO an und im Speziellen mal deren Auswirkungen auf unser Internet. Wir alle klicken wie die Wilden Cookiebanner weg. Jedes dieser Cookiebanner – das mag nicht jedem klar sein – verweist auf seitenlange Datenschutzhinweise, in denen wir aufgeklärt werden, welche Daten auf welche Weise erhoben werden. Und nun sag mir bitte, wie viele Leute du kennst, die vor dem Besuch einer Website deren Datenschutzhinweise konsultiert haben.

Richtig. Du wirst niemanden kennen. Und sollte es so jemanden geben, wirst du ihn belächeln, weil er offensichtlich nicht mehr alle Hunde in der Hütte haben kann. Du suchst eine Definition für Perfektionismus? Hier ist sie. Die Regeln um Cookiebanner sind in meinen Augen ein bürokratisches Werk, erdacht von Leuten, die im Auftrag des Perfektionismus Regelungen aufstellen, die nach meiner festen Überzeugung niemandem etwas bringen. Diese Leute schaden uns allen.

Man hätte diese Bürokraten einfach feuern können, um von dem ersparten Geld auf EU-Ebene einen eigenen Browser zu entwickeln. Denn nahezu alles, was jeder Webmaster – auch ich – in ellenlangen Datenschutzhinweisen zu regeln hat, die niemals jemand lesen wird, könnte auch der Browser nach selbst erstellten Profilen von jeden von uns lösen. Und zwar deutlich effektiver als jedes Cookiebanner. Das wollen wir aber nicht. Wir wollen, dass weiterhin Werbebanner geschaltet werden können. Leute sollen also genervt aufgeben und "Alles erlauben" klicken.

Ein Browser, der solche Verbindungen einfach kappt – Sodom und Gomorrha. Lieber frustrieren wir die komplette EU mit Cookiebannern und Datenschutzhinweisen. So ist es ja jedermanns eigene Schuld, wenn man Werbung, Tracking oder sonstwas zulässt.

Dieser Art von sinnlosem Perfektionismus folgt in meinen Augen auch der Wunsch, alle Leute innerhalb von allen Texten anzusprechen. Es mag ja nett sein. Es mögen auch gute Beweggründe dahinterstehen. Es ist aber der falsche Weg.

Wir könnten auch auf der Autobahn nur noch 50 km/h fahren und Innerorts nur noch 20 km/h. Würde es weniger Unfälle geben? Sicher. Würde es weniger Tote geben? Aber ganz sicher. Warum tun wir es dann nicht? Weil es perfektionistischer Unsinn ist.

Und selbst wenn wir es tun würden. Es würde immer noch Unfälle geben. Wäre dann die Lösung, den Perfektionismus noch weiter zu erhöhen. Autobahn 25 km/h und Innerorts nur noch 10 km/h? Man kann Perfektionismus doch unendlich perfektionieren. Das ist doch gerade das Problem.

Das Leben besteht eben aus einer gesunden Portion Nicht-Perfektsein. Dieser Satz ist von mir – du darfst ihn zitieren :)

Gendern 1.1 – redest du deine Ärztin eigentlich korrekt an?

Mein Hausarzt ist im Juli in Rente gegangen. Nun habe ich eine Hausärztin, die dessen Praxis übernommen hat. Wie rede ich diese Frau an? Mit Frau Doktor. Wie tust du es?

Weißt du, dass unser geliebter Duden auch das Wort Doktorin kennt? Gibt es irgendjemanden, der eine Ärztin mit Frau Doktorin anredet? Warum nicht?

Gendern 1.2 – weibliche Begrife

  • die Person
  • die Lehrkraft, die Einsatzkraft

Ist es eigentlich richtig, dass wir bei diesen Begriffen mit der weiblichen Form leben? Mir ist zwar kein Mann bekannt, der sich an einer solchen Stelle diskriminiert fühlt. Aber bei dem vorauseilenden Gehorsam, den ich im Bereich des Genderns wahrnehme, wüsste ich gern, ob hier jemand bereits eine Lösung gefunden hat.

Gendern 1.3: Ist das Neutrum problematisch?

Beispiele:

  • "Die Kinder spielen im Garten."
  • Ein Sportverein beginnt einen Vereinsbrief mit "Liebe Mitglieder!"

Die Kinder kommen vom Singular: "Das Kind."

Die Mitglieder kommen vom Singular: "Das Mitglied."

Beide Formulierungen enthalten überhaupt (!) keine Angaben zur sexuellen Identität. Könnten sich Kinder oder Mitglieder nicht streng genommen durch eine solche Formulierung abgewertet fühlen? Natürlich könnte man hier argumentieren, dass das Neutrum neutral wäre. Das Neutrum ist aber kein neutrales Geschlecht, das man in dem Sinn verstehen kann, dass es alle anderen einschließt. Eher ist es so zu verstehen, dass es eben für Dinge verwendet wird – also für Worte, die gar kein Geschlecht haben. Dazu braucht man nur mal hinüber in die englische Sprache zu schauen.

Dass die deutsche Sprache gegenüber den englischen DER, DIE, DAS nach Losverfahren über alle Nomen verteilt hat – oder mit anderen Worten –, dass die deutsche Sprache an einigen Stellen einfach schwachsinnig ist, ändert nichts an der Bedeutung des Neutrums.

Wenn du jedenfalls nach draußen rufst – "Kommt, Kinder! Es gibt Miracoli." – dann sprichst du deine Kinder genauso geschlechtslos an, als seien sie ein Stapel Gartengeräte.

Gendern 1.5: Der Witz vom Gendern der Bauarbeiter

Was für ein toller Witz:

Sitzen zwei Bauarbeiter zusammen und machen Pause. Meint der eine Bauarbeiter zum anderen: "Möchtest du auch ein Bier."

Antwortet der andere Bauarbeiter: "Nein, ich bin schwanger."

Nun ist uns allen klar, wie missverständlich unsere Sprache mit dem generischen Maskulinum ist.

Wenn wir diesen Witz ins Englische übersetzen, wird er dort genauso unverständlich sein, wie im Deutschen – trotz unserer Sprachbesonderheiten. Vielleicht sollten wir davon absehen, Sprachfantasien zu erzeugen, die es nicht gibt. Denn das Problem bei diesem Witz besteht nicht darin, dass die Frauen nicht mitgenannt werden. Das Problem besteht darin, dass es nahezu keine weiblichen Bauarbeiter gibt.

Gendern 2.0 – wenn schon perfekt, dann tu es richtig perfekt

Liebe Leserinnen, liebe Leser – ich teile mit euch den Wunsch, niemanden zu diskriminieren. Der Weg, unsere Sprache allerdings mit klobigen Konstruktionen anzureichern, führt meiner Ansicht nach ins Chaos. Denn sobald ihr fertig seid, wird euch jemand darauf aufmerksam machen, dass euer Gendern noch nicht perfekt ist. Wir bekommen dann Gendern 2.0 oder 3.0.

Zwei RechtsanwältInnenGehilfInnen trotten den BürgerInnenSteig entlang, als eine von ihnen in einen HündInnenHaufen tritt.

"Scheiße", ruft sie. "Die müssen endlich was tun bei der Stadt. Ich schreib jetzt der BürgerInnenMeisterIn."

"Bringt nichts", antwortet ihre RechtsanwältInnenGehilfInnen-Freundin. "Eine Bekannte war ChefInnenSekretärIn der KanzlerInnenAmtsMinisterIn. Diese Politiker lachen über sowas nur und deren Bedienstete auch."

Werft mir gerne vor, dass ich polemisch argumentiere. Aber meiner Ansicht nach ist dies die Zukunft des Genderns. Wenn wir zulassen, dass man uns mit Perfektionismus regiert, werden wir bald kaum noch einen Satz geradeaussprechen können.

Du darfst gern anderer Ansicht sein. Ich verurteile dich deshalb nicht. Gestehe mir aber bitte zu, ebenfalls eine Meinung zu haben. Ich beschimpfe dich nicht und ich würde gern meine Ansicht vertreten dürfen, ohne ebenfalls beschimpft zu werden.

Weitere Beispiele für Gendern 2.0 – mit Binnenmajuskel am besten lesbar

Wollen wir so wirklich sprechen? Und wenn nein, mit welcher Begründung würde man hier nur eine Genderform einfügen?

  • WirtInnenSchaft
  • BäuerInnenHof
  • FührerInnenSchein
  • SchützInnenVerein

Gendern 2.5 – Doppelgendern

  • KanzlerInnenKandidatInnen
  • ZahnärztInnenHelferInnen
  • SchülerInnenLotsInnen
  • HündInnenZüchterInnen
  • ErzieherInnenAssistentInnen (ja, das ist ein Ausbildungsberuf)
  • KundInnenBeraterInnen
  • ChefInnenFahrerInnen
  • SchützInnenKönigIn
  • ChefInnenLobbyistInnen

Gendern 3.0 – Formulierungen, bei denen Doppelpunkt, Binnenmajuskel und Gendersternchen versagen

  • BäckerInnenRei
  • FleischerInnenRei
  • MetzgerInnenRei
  • SchreinerInnenRei
  • PräsidentInnenSchaft

Gendern 3.1 – Legen wir noch eine Schippe drauf

  • BäckerINNENreifachverkäufer:innen
  • FleischerINNENreifachverkäufer:innen
  • KaufleutenGehilfInnenBrief
  • PräsidentInnenSchaftsKandidatInnen

Gendern 3.2: Wo selbst das versagt

Und wie würde man hier die männliche Form einfügen. So sicher nicht:

  • KätzInnenKlo
  • BienInnenKorb

Oder würden wir Kätzinnen- und Katerklo sagen. Und Bienen- und Dronenkorb?

Wie wäre die korrekte Form von Doktorvater?

  • DoktorInnenVäter/-Mütter
  • DoktorInnenEltern

Gendern gibt einem Satz Informationen mit, die zum Verständnis des Satzes unerheblich sind

Mit anderen Worten: Gendern bläht die Sätze auf. Der Sinn der Sprache ist in meinen Augen, eine Information von Person A zu Person B zu tragen. Macht es wirklich Sinn, dieser Information nun noch Zusatzinformationen beizufügen. Freuen wir uns nicht gerade darüber, dass die aufgeblähte "Sie"-Anrede mehr und mehr verschwindet? Ich finde es sehr erfrischend, dass darauf mehr und mehr verzichtet wird. Ist es wirklich notwendig, statt der Sie-Anrede nun eine neue Form von Komplexität in die Sprache aufzunehmen? Genügt nicht der Unsinn, den wir bereits haben?

Alexander Graf Lambsdorff – sag mir bitte: Was hat dieser Mann vollbracht, dass man in Graf nennen soll? Er ist der Sohn seines Vaters Otto Graf Lambsdorff, der auch nichts anderes als der Sohn seines Vaters war. Wahrscheinlich ist er also privilegiert mit viel Kohle aufgewachsen. Wahrscheinlich hat er bessere Schulen besucht also du. Hat bessere Möglichkeiten geboten bekommen als du. Zum Zeitpunkt, wo ich diesen Text schreibe, ist er Botschaftler in Russland. Das ist sicher ein Scheißjob, um den ich ihn nicht beneide. Aber wer der ehemalige Botschafter war, kann ich nicht sagen. Sicher war er kein Graf. Ein Graf zu sein ist also keine nötige Qualität, um Botschafter zu werden.

Stellen wir also fest: Der Grafentitel – wie auch alle anderen Titel – ist eine völlig irrelevante Information, die in meinen Augen weggelassen gehört. Schließlich leben wir nicht mehr im Mittelalter. Dieser Mann hat nichts für diesen Titel getan.

Doktor Dolittle dagegen hat wahrscheinlich schon etwas für seinen Titel getan. Er hat wissenschaftlich gearbeitet. Stellt sich die Frage, ob das ein Grund ist, ihn lebenslang mit einem solchen Titel zu ehren. Wem hilft das? Wenn jemand der Menschheit etwas Gutes getan hat, kann man ihn ehren. Nun möchte ich keine Neiddebatte anstoßen. Ich frage mich aber, ob nicht Alten- oder Krankenpfleger auch einen solchen Titel erhalten sollten – dafür, dass sie uns allen etwas Gutes tun. Man kommt ja als Normalbürger kaum mit denen in Kontakt und hat daher wenig Vorstellungen von deren schwierigem Job, bis jemand in der eigenen Familie unheilbar erkrankt. Wenn wir mal von medizinischen Doktoren absehen, frage ich mich, ob die Inhaber dieser Titel für diesen auch bereit gewesen wären, der Menschheit einen wirklichen Dienst zu erweisen, indem sie für die Zeit ihrer wissenschaftlichen Arbeit schwerkranke Menschen auf ihrem letzten Weg begleiten – sie waschen, pflegen oder medizinisch versorgen würden.

Dies sind meine Ansichten zu Titeln im Namen. Wenn ich könnte, würde ich diesen Blödsinn sofort abschaffen. Dieser Ansicht folgt auch meine Einschätzung zum Gendern. Ich möchte gern mit meiner Sprache eine Information von A nach B übertragen. Diese Information soll kurz, knackig und einfach verständlich sein. Ich sehe absolut keinen Sinn darin, dieser Information noch Unterinformationen beizufügen, deren einzige Existenzberechtigung darin besteht, dass ich alle Geschlechterkonstruktionen einschließen will.

Mir ist an dieser Stelle sehr wichtig: Es geht mir nicht darum, jemanden zu diskriminieren. Ich möchte aber nicht auf einem Bürger:innen-Steig gehen. Und wer dies nun für ein ungültiges Argument hält und mir sagt, mit dem Bürgersteig wären alle Bürger:innen mitgemeint, dem muss ich entgegenhalten, dass dies auch für das generische Maskulinum gilt. Sprich – wir haben bereits eine Sprachübereinkunft, dass das generische Maskulinum ALLE Geschlechter mit einschließt.

Anmerkung

Dies ist ein Beitrag, der möglicherweise niemals fertig sein wird und der offen gestanden auch diesen Anspruch nicht verfolgt. Ich veröffentliche ihn mal, weil er in meinen Augen Argumente enthält, die ich zumindest nicht vorrangig zum Gendern höre oder lese. Vielleicht werde ich ihn mit der Zeit ausbauen – vielleicht auch nicht. Eigentlich wünsche ich mir, dass wir es schaffen, uns mehr zu entspannen, statt uns im Leben auf solchen Nebenkriegsschauplätzen wie dem Gendern herumzutreiben. Viel wichtiger als zu gendern ist es, miteinander zu reden und uns gegenseitig zu unterstützen.

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