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Outtake aus Mooyan 2: Die Schlacht an den Sûq-Allabaîn

von Thomas Poppner

Die Schlacht an den Sûq-Allabaîn, den schwimmenden Felsen, war eigentlich als der Höhepunkt des Teils KRIEG innerhalb des 2. Bandes gedacht.

Ja, und es gab ein paar wirklich schöne Einzelsätze darin. Aber insgesamt war diese Schlacht einfach nur langatmig. Ich hab sie nach langem Hin und Her rausgeworfen und den Fall von Fünfbrücken neu geschrieben und in Band 3 verschoben. So wurde Band 2 knackiger und der Fall Farias passt in Band 3 besser in den Ablauf.

Die Seefestung an den Sûq-Allabaîn

Einige Wochen waren vergangen, seit Borossos den Archipel Mooyan unterworfen hatte. An Farias Ostküste hatte sich die Lage entspannt. Man wusste, dass der Feind früher oder später kommen würde. Aber der ließ sich Zeit, die Halavir und Manistan nutzten, um die Verteidigungsanlagen Farias zu inspizieren. Und wenn ihnen die Zeit zu lang wurde, nutzten sie diese auch, um persönliche Fehden auszufechten.


»Gib es zu!«

»Was soll ich zugeben, Manistan?«

»Du weißt genau, was du zugeben sollst!«

»Ich verstehe nicht, wovon du redest.«

»Du, Halavir, steckst hinter den Deserteuren, welche die Beluga gekapert haben.«

»Ich? Die Beluga?«

»Genau du!«

»Meine ehrenwerteste Manistan. Du magst Prätorin des Magie-Konglomerats sein, aber Denken war tatsächlich noch nie deine Stärke. Du hast in mir immer einen Rivalen gesehen. Doch das war ich nie.«

»Ich habe in dir immer einen gefährlichen Mann gesehen.«

»Ich bin Prätor der Liga der magischen Kriegskünste. Es ist meine Aufgabe, gefährlich zu sein.«

»Gegenüber unseren Feinden sollst du gefährlich sein, Halavir. Das stimmt.«

»Willst du mir unterstellen, dass ich Sabotage betrieben habe?«

»Ich unterstelle dir, dass du dich gegen die Zwei Hände gewandt hast.«

»Das, Manistan, wäre aber nicht nur Sabotage, es wäre in den jetzigen Zeiten auch Verrat. Dir ist aber hoffentlich klar, dass der Prototyp eines tauchenden Schiffes nicht das Erste ist, was dem Prätor einer kämpfenden Liga in den Sinn kommt.«

»Was dir in den Sinn kommen kann, Halavir, und was nicht, darüber will ich mir kein Urteil anmaßen. Tatsache ist, dass dieses tauchende Schiff mit etwa zwanzig Deserteuren der Landesverteidigung nicht mehr zur Verfügung steht.«

»Und was, Manistan?! Welche Rolle sollte dieses tauchende Boot für die Landesverteidigung spielen?«

»Es ist nicht nur dieses tauchende Boot. Was ist mit Tumisan und ihren beiden Wächterinnen? Wer hat ihr diesen Floh ins Ohr gesetzt?«

»Sag mir, Manistan: Als Tumisan einem Orden zugeteilt wurde, wer war da Meisterin dieses Ordens? – Du warst es, richtig?

Und später, als du das Magie-Konglomerat übernahmst – auch da unterstand Tumisan dir.

Und du selbst kamst zu mir und sagtest, dass du eine ebenso aufmüpfige wie begabte kleine Zauberin hättest, die wehrhaft sei und bissig. Die wie geschaffen wäre, um in der Liga der magischen Kriegskünste zu dienen. Und nun, da ich sie aufgenommen habe, bin ich es offenbar, der ihr Flöhe ins Ohr setzt.

Nein, Manistan. Wenn bei Tumisan etwas schiefgelaufen ist, dann hätte dem schon die Meisterin ihres ersten Ordens Einhalt gebieten müssen. Schon damals hättest du intervenieren sollen und sie vielleicht einmal ins Kloster an den Sûq-Brahaidan schicken müssen.«

»Aber …«

»Keine weiteren Diskussionen mehr. Dort draußen ist Krieg. Ich sage es dir nicht gerne, Manistan, aber ich habe keine Zeit für deine Hypothesen. Wir zwei sollten Wichtigeres tun.«

Manistan verzog den Mund. »Wichtigeres?«

Halavir zog etwas hervor und hielt es Manistan hin. »Dies ist eine Jûja-Münze. Sie spricht mit mir.«

»Was redest du da für einen Unsinn.«

»Schau sie dir an!«

»Hör auf, mir die Zeit zu stehlen, Halavir!«

»Nimm die Münze in die Hand und fühle selbst!«

Halavir ergriff Manistans rechte Hand, öffnete sie, hielt seine geöffnete Handfläche mit der Jûja-Münze daneben. Dann klappte er seine Handfläche auf ihre. Im gleichen Moment verschwanden beide in einer Rauchwolke.


Durch diesen Vorfall – verehrte Leserin, werter Leser -, geschah etwas, dass das Verteidigungskonzept Farias ins Wanken brachte: Zwei hochdekorierte Zauberer, beide Senatoren in den Zwei Händen, waren von einem Augenblick auf den anderen spurlos verschollen. Niemand wusste, was mit ihnen geschehen war. Niemand konnte sagen, ob sie übergelaufen waren. Und genau diese Tatsache verunsicherte viele.

Warum hatte Halavir nun seinen Posten verlassen? Hatte er ihn überhaupt verlassen? War er übergelaufen? Oder glaubte er tatsächlich, seinem Land an einem anderen Ort besser dienen zu können? Die Antworten auf diese Fragen werden sich Euch – werter Leser, verehrte Leserin – im Verlauf meiner Erzählungen offenbaren. Zunächst jedoch wurde die Lage dramatisch.

Kastell der fünf Brücken

Es sprach sich herum, dass eine feindliche Flotte die westliche Küste Farias passiert hatte und nun am Südgebirge entlangsegeln würde. Immerhin eine Strecke von zweihundert Meilen, geschützt von Steilhängen und dem Vulkan Hisark. 

Die Abgeordneten des Verteidigungsrats wurden ständig auf dem Laufenden gehalten, wie sich die feindlichen Schiffe der Ostküste näherten. Bronnvir hatte in seiner Rolle als Versammlungsleiter einen Spezialisten angefordert, der dem Rat Rede und Antwort stehen sollte.

»Das hier ist Layyenir.« Bronnvir deutete auf einen kleinen Mann, der sofort das Wort ergriff.

»Meine Aufgabe ist es, den Rat mit meinem Wissen zu unterstützen. Ich stamme aus der Liga zur Landesverteidigung Ost. Den Abgeordneten des Rats, die nicht unseren Land angehören, möchte ich ein paar erklärende Worte anfügen:

Die Verteidigung Farias, unseres Vaterlandes, obliegt einer sehr umfangreichen Liga: der Liga zur Landesverteidigung. Diese Liga spaltet sich in fünf weitere Ligen auf, nämlich die zur Landesverteidigung Nord, Süd, West, Ost und Mitte. Der Gedanke hinter dieser Aufteilung ist sehr einfach: Unsere Küstenlinien haben eine sehr eigenwillige Geografie. Im Norden und Süden begrenzen unser Land lange Gebirgsketten, während westlich und östlich große Sand- und Dünenlandschaften unsere Insel umschließen. Die Mitte des Landes liegt zwar geschützt innerhalb dieser Küstenlinien. Aber die sehr unterschiedlichen Landschaftsformen der Landesmitte benötigen ebenfalls ein spezielles Augenmerk.

Meine Liga zur Landesverteidigung Ost beschäftigt sich ausschließlich mit den Oststränden, die hier zu großen Teilen von Fünfbrücken aus eingesehen werden können. Denn unser Kastell befindet sich an der südöstlichen Kante Farias.« 

Layyenir machte eine kurze Pause und blickte in die Runde, ob es Fragen gab. Als das nicht der Fall zu sein schien, fuhr er fort. »Die Prätoren der mit der Landesverteidigung betrauten Ligen haben keinerlei Zweifel daran, dass der Feind früher oder später hier aufschlagen wird. Meine Aufgabe ist zweierlei:

Zum einen, den Rat über die Geschehnisse zu unterrichten, die man von hier, von Fünfbrücken aus, verfolgen kann.

Zum anderen, den Schutz des Rates sicherzustellen und gegebenenfalls Einheiten anzufordern, die uns bei der Verteidigung dieses Kastells unterstützen werden.

Des Weiteren besitze ich – wenn auch nicht umfassende, so doch vertiefte – Kenntnisse über die Struktur der anderen Ligen, sodass ich auftretende Fragen beantworten oder ergänzende Informationen zu den Angriffen geben kann.«

Rumms – ohne ein Anklopfen oder eine andersgeartete Vorwarnung öffneten sich die beiden großen Flügeltüren des Sitzungssaales von Fünfbrücken. Der sonst so beherrschte Bronnvir zuckte zusammen. Einer der Wachmänner ging direkt auf ihn zu und flüsterte ihm etwas ins Ohr.

Bronnvir erhob sich. »Es geht los. Der Feind hat die Südostküste Farias erreicht. Mich verwundert das und das möchte ich ausdrücklich betonen. Denn die Südostflanke Farias beherbergt nicht umsonst dieses Kastell Fünfbrücken. Wenn es dem Feind bisher nicht gelang, unseren Schutzwall zu durchbrechen, so sollte ein guter Armeeführer nun am besten Einkehr halten und über eine neue Strategie nachdenken. Der Feind hält dies offensichtlich nicht für notwendig. – Wir haben nun zwei Möglichkeiten.

Entweder: Wir verbleiben hier im Sitzungsraum von Fünfbrücken und lassen uns über die Ereignisse Bericht erstatten, so wie dies bis zur Stunde der Fall war.

Oder: Wir verlassen diesen Sitzungssaal und begeben uns auf die große Aussichtsplattform des Kastells. Von dort aus haben wir einen guten Überblick über die komplette Südostflanke des Reichs. Layyenir wird uns darüber berichten, was wir sehen. Und wir werden über den Telegrafen informiert, was auf dem Rest der Insel geschieht. Da diese Festung auf einer Anhöhe liegt, die mit bekannten Waffen nicht erreicht werden kann, darf ich den Teilnehmern versichern, dass dieses Unterfangen absolut sicher ist. Sollte sich an diesem Status etwas ändern, ist es die Aufgabe Layyenirs, unverzüglich Maßnahmen einzuleiten, um uns alle in Sicherheit zu bringen.«

Bronnvir blickte in die Gesichter der Abgeordneten. Dann schmunzelte er. »Wenn ich in die Augen der Teilnehmer sehe, so glaube ich, wir waren alle lange genug auf rein akustische Berichte angewiesen. Darum möchte ich einen etwas ungewöhnlich formulierten Antrag in die Abstimmung geben: Gibt es Einwände dagegen, dass wir uns direkt zur Aussichtsplattform begeben?«

Die Teilnehmer des Rats schüttelten nahezu gleichzeitig mit dem Kopf.

»Genau das habe ich mir gedacht. Dann sei es entschieden. Ich bitte alle Teilnehmer des Rats, mir zu folgen.«


»Dort hinten!« Admiral Smaìgant holte ein kleines Fernrohr aus seiner Jacke und zog es auseinander. »Dort hinten kommen sie. Aber warum kommen sie am Tage?«

»Am Tage?«, fragte van Gæhlen. »Vielleicht, weil sie da besser sehen können.«

Smaìgant machte einen schiefen Mund. »Odar griffen sie bei absoluter Dunkelheit an – bei Neumond.«

»Dazu habe ich eine Hypothese«, fuhr ihm Layyenir ins Wort. »Die Geografie Odars unterscheidet sich sehr von der Farias. Teile Farias wurden in der Tat nachts angegriffen. Wenn der Feind aber vorhaben sollte, zur Ostküste vorzudringen, so wäre eine solche Entscheidung verhängnisvoll.«

»Verhängnisvoll?« Smaìgant schüttelte den Kopf. »Warum das?«

»Die Ostküste Farias ist die am schwierigsten anzusteuernde Küstenlinie des Landes. Das Küstenmeer der Ostinsel umgeben die Sûq-Allabaîn, die schwimmenden Felsen.«

»Schwimmende Felsen?« Admiral Smaìgant ließ sein Fernrohr sinken.

»Überall hier durchziehen Untiefen das Meer. Kleine Felsmassive durchbrechen entweder die Wasseroberfläche oder – noch gefährlicher – liegen kurz darunter. Diesen Ort mit dem Schiff anzusteuern, ist schon bei strahlendem Sonnenschein und besten Windverhältnissen schwierig. Ein Angriff im Dunklen wäre Selbstmord. Nicht umsonst errichtete man an diesem Ort das Kastell Fünfbrücken. Hier in der Nähe befinden sich auch Ratsgebäude. Teile der Zwei Hände, der Regierung, tagen hier.«

»Teile der Regierung? Ist das nicht sehr unvorsichtig?«

»Admiral Smaìgant! Auch unsere hohen Herrschaften sind nicht frei von Eitelkeiten. Die schönsten Strände der Insel befinden sich im Osten. Schon der König zu alten Zeiten hatte hier seine Sommerresidenz. Und die Räte Farias behielten einige dieser Orte bei. Teils, um dort zu tagen. Teils, um darin zu wohnen.«

»Interessant. Die Sicherheit ziehen sie also nicht ihren eigenen Vorteilen vor.«

»Sicherheit ist immer relativ, Admiral Smaìgant. Aber es ist nicht meine Aufgabe, Entscheidungen von Senatoren und Prätoren zu diskutieren.«

»Ja, das verstehen Wir.« Smaìgant hob wieder das Fernrohr vor sein Auge.

Layyenir legte die Hand auf Smaìgants Fernrohr. »Wir haben Besseres auf Faria.« Er schnipste mit dem Finger. 

Sofort brachten die Leibgarden Fernsichtgeräte herbei. Es handelte sich dabei um Apparate, wie sie Smaìgant noch nie gesehen hatte. Sie waren nicht für ein, sondern für zwei Augen gemacht. Und sie befanden sich auf einem ausziehbaren Stock, sodass man sie leicht herumtragen konnte, aber auch die Arme nicht ermüdeten, wenn man längere Zeit durch sie hindurchsah.

Admiral Smaìgant musterte das Gerät, nickte anerkennend und schob sein kleines Fernrohr zusammen. Sorgsam prüfte er das Gerät und blickte hindurch. »Ein wirklich erstklassiges Instrument!« Er richtete seinen Blick auf den südwestlichen Horizont. »Es sind die kleinen Schiffe, mit denen Odar angegriffen wurde. Und dahinter Segelschiffe.«

»Borossos!«, flüsterte ihm eine Stimme ins Ohr. Es war Bronnvir. »Klar, dass dieser ambitionierte Feldmarschall früher oder später wieder im Geschehen auftauchen würde. Offenbar will der Feind uns mit einer zweistufigen Strategie bezwingen.

Einerseits setzt er auf seine eigenen Legionen mit den schwarzen Schiffen. Andererseits versucht er, konventionelle Kriegstechnik gegen uns einzusetzen, so, wie sie bisher in der freien Welt üblich ist.«

»Wo ist die Flotte Farias?«

»Die, Admiral, bewacht zu großen Teilen unsere Westküste. Ein kleinerer Teil liegt im Nordosten. Diese Orte sind verwundbarer als wir hier. Die Sûq-Allabaîn, die schwimmenden Felsen, schützen uns.«


Die folgenden Stunden beobachteten die Teilnehmer, wie eine Flotte, bestehend aus zahllosen schwarzen, segellosen Schiffen zusammen mit großen Schlachtenkreuzern die Südküste Richtung Osten passierten. Dort machten sie allerdings keine Wende. Nein, sie schipperten friedlich weiter in östliche Richtung, bis sie aus dem Sichtfeld Fünfbrückens verschwunden waren.

»Was sollte das jetzt?«, fragte van Gæhlen.

»Das, Baron, war Psychologie«, antwortete Admiral Smaìgant.

»Psychologie?«

»Na, und ob. Sie wollen uns zeigen, dass der Angriff nicht beendet ist – dass sie noch ein Ass im Ärmel haben.«

»Das wird ihnen wenig nutzen«, sagte Bronnvir.

Smaìgant blickte ihn streng an. »Bisher hat dieser Feind jede Hürde niedergerissen, die er sich niederzureißen vorgenommen hatte.«

»Mit Ausnahme der Küstenlinien Farias!«

»Ist Ihm schon der Gedanke gekommen, dass dies Scheinangriffe gewesen sein könnten, um Sein Volk in Sicherheit zu wiegen?«

»Admiral!«, mischte sich Layyenir ein. »Du bist doch selbst ein Flottenführer. Wenn Odars Strategen ein Land angreifen würden, welche Stelle würden sie wählen? Die am schlechtesten gesicherte oder die am zweitschlechtesten gesicherte. Aber würde man in Odar wirklich seinen Feind warnen, um dann an der stärksten Stelle anzugreifen?«

»Wir können keine Aussage darüber treffen, was dieser Feind vorhat. Bisher jedenfalls handelte er niemals so, wie Wir es erwarteten. Vielleicht wollte der Feind ja Farias Soldaten im Kampf binden. Bedenke Er: Je mehr Kämpfer Faria an anderen Orten stationiert, desto einfacher wird ein Angriff auf die gewünschte Küstenlinie.«

Layyenir blickte gelangweilt. »Oder der Feind wollte uns einfach nur ängstigen, sodass wir Soldaten von den anderen Küsten abziehen und ihm den Zugang an anderer Stelle ermöglichen.

Ein Abwägen darüber steht mir oder uns nicht an. Dies ist eine Entscheidung, die unsere Prätoren zu treffen haben. Ich kann eine solche Entscheidung – falls sie denn getroffen werden sollte – höchstens erläutern.«

Noch eine Weile verbrachten alle auf der Aussichtsplattform. Doch es blieb ruhig. Keine Angriffe mehr, keine Schiffe mehr. Und so zogen sie sich wieder in den Sitzungsraum und später in ihre Quartiere zurück.


Eine Stunde, nachdem die feindliche Flotte aus dem Sichtbereich gelangt war, wurden die Ratsmitglieder erneut alarmiert. Alle hasteten hinauf zur Aussichtsplattform von Fünfbrücken und spähten mit ihren Sichtgeräten über das Meer, wo sich am Horizont eine zweigeteilte Flotte zusammenfand: Links schwarze, segellose Schiffe des Brachlons, die gegen Egyras’ weiter rechts in Stellung gehenden großen Segelkreuzer wie Spielzeuge wirkten.

»Was haben die vor?«, raunte Smaìgant, als drei der großen Kreuzer Kurs auf das Festland setzten. »Die werden doch mit diesen riesigen Viermastern nicht angreifen wollen.« Smaìgant deutete in die Tiefe. »Sehe Er sich diese Felsenriffs an. Von der Uferlinie bestimmt eine Meile seeeinwärts ragen überall kleine Felsen aus dem Wasser. Die großen Segler sind dem Wind ausgeliefert. Niemand ist in der Lage, sie präzise um diese Untiefen herumzumanövrieren.« Smaìgant befeuchtete den Finger und hielt ihn in die Luft. »Hätte dort unten ein Kommandant der Flotte Odars das Kommando, Wir würden ihn ohne Verzug entlassen!«

Bronnvir nickte. »In der Tat. Das Ostufer unseres Landes ist für große Schiffe absolut unerreichbar. Nur kleine Fischerjollen können die Sûq-Allabaîn einigermaßen sicher durchschiffen. Aber auch bei denen kommt es immer wieder zu Unfällen. Es würde mich aber wundern, wenn Borossos oder der Feind im Generellen sich so plump überschätzen sollte.«

»Momentan jedenfalls nehmen dessen Schiffe Fahrt auf. Schau Er, wie stark der Wind in die Segel bläst. Vielleicht noch eine Viertel-Seemeile, dann schippern sie mit voller Fahrt in dieses Felsenlabyrinth. Was haben sie dort vor? Ist vielleicht ein Hafen in der Nähe, den sie mit ihren Schiffen zu blockieren suchen?«

»Nein. Auch unsere Fregatten vermögen nicht, zwischen diesen Felsen hindurchzufahren. Wie ich schon sagte: Nur ein paar wagehalsige Fischer kreuzen dort mit ihren Booten.«

»Was ist das?«, rief Smaìgant. »Die takeln ihre Segel ab.« Er nahm das Sichtgerät zur Seite und blickte daran vorbei. Dann zog er es wieder vor seine Augen. »Kein Zweifel! Kurz bevor sie auf die Felsen treffen, takeln sie das Schiff ab. Sie drehen aber nicht bei. Die Schiffe werden nicht langsamer.«

Layyenir, der Sprecher der Liga zur Landesverteidigung Ost, hatte sich bisher still verhalten. Nun kam er heran und sprach: »Wir hatten etwas Derartiges vermutet. Schon als Borossos’ Flotte zusammen mit den schwarzen Schiffen die Südküste entlangsegelte.«

»Vermutet?« Smaìgant hob eine Augenbraue.

»Die schwarzen Schiffe werden von Nixen gezogen. Spräche etwas dagegen, dass sie dies auch mit Borossos’ Flotte tun?«

»Er meint, Borossos lässt seine schweren Kriegskreuzer von den Nixen durch dieses Felsenlabyrinth führen?«

»Sieh selbst! Sie haben die Segel eingeholt.«

Aufmerksam verfolgten alle auf der Aussichtsplattform des Kastells drei große Viermaster von Borossos’ Flotte, die wie von Geisterhand gezogen zwischen den Felsen hindurchmanövrierten. Weitere Schiffe, deren Anzahl nicht genau auszumachen war, warteten am Horizont. Sie hatten beigedreht. Aber die Armada der schwarzen, segellosen Schiffe setzte sich in Bewegung.

»Da! Da kommen sie! Schau Er, wie schnell sie sind. Diese Dinger haben auch Unsere Heimat angegriffen.«

»Selbstverständlich sind sie schnell. Diese schwarzen Schiffe sind klein und wendig.«

»Was nun? Schau Er, mit welcher Geschwindigkeit sie zwischen den Felsen hindurchmanövrieren. Es wird keine Viertelstunde dauern, bis sie das Festland erreichen.«

Bomm – ein Kanonenschuss.

Bomm – noch einer.

Das erste Geschoss erzeugte eine hohe Fontäne, als es im Wasser aufschlug. Das zweite traf eines von Borossos’ Schiffen, welches die Klappen der Kanonenöffnungen heruntergelassen hatte und nun seinerseits eine Salve abgab.

Admiral Smaìgant beugte sich über das Geländer der Plattform. »Von wo kam das?«

»Wir haben unten an den Südostklippen Kanonen. Auch auf höheren Felsen sind sie postiert …«

Wieder erschütterten Donnerschläge die Plattform. Eins von Borossos’ Kriegsschiffen feuerte eine komplette Breitseite ab.

Ungläubig nahm Smaìgant wieder sein Sichtgerät zur Seite und spähte in die Tiefe. »Worauf schießen die?«

Layyenir machte eine abfällige Handbewegung. »Die wollen nur beeindrucken. Von dort unten aus können sie nichts von Belang treffen.«

Bomm – wieder schoss ein Geschütz von der Felsenküste aus auf den Schlachtenkreuzer aus Egyras.

»Wenn die Kanoniere Farias so halbherzig gegen den Feind feuern, werden sie wenig Erfolg haben«, knurrte Smaìgant abfällig.

»Gegen diesen Feind müssen unsere Kanoniere auch keinen Erfolg haben«, erwiderte Layyenir.

»Was will Er damit sagen?«

»Schau, Admiral! Diese Schiffe befinden sich schon zwischen den Sûq-Allabaîn, den schwimmenden Felsen. Sollen sie doch tiefer hineinfahren. Keines von denen wird diesen Ort je wieder verlassen.«

»Nun ja, in Odar …«

»Wir sind hier nicht in Odar!« Layyenir blickte lächelnd über das Wasser. – Krachend schoss ein Schlachtschiff eine weitere Salve ab. – »Du musst dir keine Sorgen machen, Admiral. Es wird ihnen nicht gelingen, ein Geschoss auch nur in unsere Nähe zu schießen. Sie sind zu weit weg und wir liegen hier zu hoch.«

»Aber sie nähern sich der Küste. Sie könnten Bodentruppen absetzen.«

Layyenir lächelte nur und blickte schweigend in die Tiefe.

Smaìgant verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. 

Es rührte sich etwas unten im Wasser. Die Kanonen verstummten. Hektisches Treiben begann.

»Was passiert da?«, fragte Smaìgant. Aber Layyenir blickte in sein Fernsichtgerät und ignorierte ihn entspannt. Ein entferntes Knarzen drang an Smaìgants Ohr. Aus der Entfernung hörte er, wie einer der großen Kriegskreuzer aus Borossos’ Flotte auf einen Felsen lief. Nun bemerkte er, dass sich Leute auf den Felsen sammelten. Zunächst hielt er sie für Besatzungsmitglieder. Doch dann entwich ihm ein ungläubiges: »Nein … nein …«

»Doch«, erwiderte Layyenir.

Van Gæhlen hatte dem Treiben stumm zugesehen. Nun mischte auch er sich ein. »Sind das … sind das Nixen?«

»Das, Baron, sind Nixen.«

»Was tun die da auf den Felsen?«

Layyenir stellte das Sichtgerät zur Seite und grinste van Gæhlen wissend an. »Die Nixen suchen Schutz.«

»Sie suchen Schutz? Vor was suchen sie Schutz?«

»Da!«, rief Admiral Smaìgant. »Da! Da ist etwas im Wasser. Was für Ungeheuer haben Sie da …«

»Orcas sind das«, erklärte Layyenir.

»Orcas?«

»Baron Freiherr van Gæhlen«, holte Layyenir aus. »Wir haben es hier mit einem Feind zu tun, der von unterhalb der Wasseroberfläche angreift. Wir müssen also auch unter der Wasseroberfläche zurückschlagen. Was wir sehen, ist die Entwicklung einer Kooperation der Konglomerate für Krieg und Wissenschaft. Es ist eine Untereinheit der Liga zur Wasserverteidigung. Diese Leute haben sich ihr Leben lang damit beschäftigt, die Küsten Farias zu schützen. Sie haben dabei keineswegs nur an Waffen gedacht. Sie haben Tiere mit einbezogen, Pflanzen, Biologie.

Das dort unten ist ein Verband von einem Dutzend Killerwalen – große, fleischfressende Tiere, die sich gewöhnlich von Pinguinen und Robben ernähren. Wir haben sie dressiert.«

»Dressiert?« Smaìgant blickte immer noch angespannt nach unten.

Chaos breitete sich aus. Die Nixen suchten Schutz. Es waren viele – sicher mehrere hundert, die sich auf die nahen Felsen zu retten versuchten. Einige wurden von Orcas ergriffen. Andere robbten verängstigt auf Felsen herum, wissend, dass Orcas wild und verschlagen sind und nicht davor zurückschrecken, mit ihren mächtigen Körpern über die Felsen zu gleiten.

Geschrei war zu hören. Und ein weiteres Knarzen, als das zweite große Kriegsschiff auf Grund lief. Seeleute sprangen ins Wasser. Auch auf den kleineren schwarzen Schiffen schien Panik auszubrechen. Dort sprangen ebenfalls Kämpfer ins Wasser und versuchten, das Land schwimmend zu erreichen.

»Was ist mit denen?«, fragte van Gæhlen. »Kümmern sich um die auch Eure Killerwale?«

»Nein«, antwortete Layyenir. »Wir wollten diesen stolzen Tieren nicht beibringen, Menschen zu vertilgen. Und zu unserer eigenen Sicherheit auch keine anderen zweibeinigen Wesen. Schließlich suchten wir nach Verbündeten und nicht nach einem neuen Feind.«

»Da!«, rief Smaìgant. »Für einen Moment hatten Wir den Eindruck, dass diese Echsen nur ihre Leben retten wollten. Aber – nein! – das ist eine Invasion. Nachdem die Nixen sie nicht mehr ziehen, schwimmen sie an Land. Schau Er, wie schnell die sind. Da! Die ersten erreichen den Strand.«

Layyenir reckte den Hals, aber blickte dann wieder entspannt in die Tiefe und verfolgte das Geschehen. Da begann es am südlichen Rand der Insel plötzlich zu dampfen und zu zischen. Etwas schob sich über den sandigen Boden.

»Was ist das wieder für eine Teufelei?«

»Das – Admiral Smaìgant! – ist das, was unsere zivilen Besucher momentan an Faria am meisten bewundern: unser neues Transportmittel, die Lokomotive. Wir haben Schienen über den Sand gezogen.«

»Schienen?«

»Der Feind greift heute den denkbar schwierigsten Küstenstreifen an. Es würde mich wundern, wenn er das nicht aus Berechnung täte. Die Strände im Westen und Osten der Insel sind durch Schienen gesichert, über die wir Soldaten im Nu an die Frontlinie bringen können. Wenn der Feind ausgerechnet hier angreift, hat er etwas vor. Es ist bekannt, dass an den Sûq-Allabaîn der Ratssitz Farias liegt …«

»Da!«, rief Smaìgant wieder. »Sie graben sich ein. Sie graben sich ein in die Erde. Sie werden sich unter Seiner Lokomotive hindurchgraben.«

»Das glaube ich nicht, Smaìgant. Wir sind am Meer. Der Grundwasserspiegel ist niedrig. Für die Schienen des Kampfzuges mussten wir große bautechnische Umstände auf uns nehmen. Nein, nein. Unter diesen Schienen kommen sie nicht hindurch.«


Der Zug hatte inzwischen die Strandlinie erreicht. Er verringerte die Geschwindigkeit. Kämpfer sprangen aus seinen Wagen, nutzten die Waggons als Deckung und schossen mit Armbrüsten in die sich nähernden Echsenkrieger.

»Da!«, rief van Gæhlen. »Dort auf den schwarzen Schiffen! Ich hielt es zuerst für Feuer.«

»Das ist kein Feuer!«, knurrte Smaìgant.

Unheilvoll türmte sich dunkler Qualm zu baumhohen Wolkenbergen auf, um sich dann wieder zusammenzuziehen.

»Richtig!«, erklärte Layyenir. »Das sind die berüchtigten Schattengeister, die Arkana und Odar besiegten.«

Zwei von ihnen sausten über das Wasser. Als sie den Strand erreichten, erhöhten sie ihre Geschwindigkeit und schossen auf die Soldaten Farias an den Waggons zu.

Smaìgant atmete aufgeregt ein, als unten vier kurze Lichtblicke aufflackerten. »Was war das?«

»Das war der Gegner, der Odars Heer geschlagen hatte«, erwiderte Layyenir.

»Er will sagen …« – Smaìgant spähte aufgeregt durch sein Sichtgerät – »Er will sagen, dass Seine Armee diese Schattengeister soeben abgewehrt hat?«

»Admiral Smaìgant! Diese Kreaturen haben einen magischen Ursprung. Und magische Wesen bekämpft man am besten mit Magie. Denn sonst tricksen sie einen aus, wie das mit der Armee Odars geschehen ist.«

Smaìgant stand der Mund offen. »Bis eben noch dachten Wir, dass Wir Zeuge einer erneuten Niederlage werden würden.«

»Und nun?«, fragte Layyenir.

»Nun schöpfen Wir Hoffnung.«

Bumm, Bumm, Bumm, Bumm, Bumm – Bumm.

»Was ist das?« Smaìgant nahm das Fernsichtgerät von den Augen, um schneller die Stelle finden zu können, die im Mittelpunkt des Geschehens stand. Das fiel nicht schwer, denn wenige Augenblicke nach den Schüssen erhoben sich aus dem Wasser hohe Fontänen und zeigten an, wo das Ziel der Kanoniere Farias gewesen war.

»Hatte Er nicht gesagt, dass diesem Feind mit Kanonen nicht begegnet werden kann?«

»Ich versuche lediglich, zu kommentieren, was ich sehe, Admiral. Dabei kommen mir meine Erfahrungen aus Farias Armee zugute, sodass ich einige taktische Schritte zu deuten weiß. Das bedeutet aber nicht, dass ich im Wortlaut erklären kann, welche Winkelzüge der mit der Landesverteidigung betrauten Prätor sich zum Ziel gesetzt hat.«

»Da!«, rief Baron van Gæhlen. »An die Sichtgeräte!«

Layyenir und der Admiral suchten die Stelle, an der die Schüsse eben noch niedergegangen waren.

»Dort, dort ist etwas auf einem Schiff«, rief van Gæhlen aufgeregt.

»Oh! Das ist unerwartet«, erwiderte Layyenir, während der Admiral noch versuchte, die Position mit seinem Sichtgerät zu erfassen.

»Ah, hab es!«, rief er schließlich. »Ein Pjoktor. Ein Wandler. Was tut er da?«

Gespannt blickten die drei durch ihre Sichtgeräte.

»Er … er versucht, dieses schwarze Boot anzutreiben«, murmelte Layyenir konzentriert. »Das ist ungewöhnlich.«

»Was ist ungewöhnlich?«, fragte van Gæhlen erregt.

»Na, dass ein Pjoktor ein Boot antreibt!«, schimpfte der Admiral. »Denke Er doch einmal nach: Pjoktoren hassen das Wasser. Diese Kreatur dort unten wäre zwar in der Lage, sich den Killerwalen zu stellen. Aber im Wasser würde sie sich auflösen.«

»Deswegen«, sagte van Gæhlen. »Deswegen macht dieses Ding Verrenkungen, um das Boot von Felsen zu Felsen zu ziehen.«

»Er hat es erfasst. Und dabei versucht der Wandler, so wenig Kontakt zum Wasser wie möglich zu halten. Denn das Wasser löst Teile seines Körpers heraus.«

Bomm, Bomm, Bomm, Bomm – wieder ging eine Salve von Schüssen in der Nähe des Bootes nieder.

»Jetzt wird es gefährlich für ihn«, sagte Layyenir. »Diese Wandler sind sehr hart im Nehmen. Es gibt nur zwei Dinge, mit denen man sie ausschalten kann: Das eine ist Wasser, das andere Erschütterungen.«

»Erschütterungen? Was redet Er da für einen Unsinn?!«

»Admiral«, antwortete Layyenir mit Genugtuung. »Einen Pjoktor hat man sich vorzustellen wie eine riesige Muschel. Er schützt sich mit einer dicken Schale. Aber darunter ist er nur ein Geschöpf – wenn auch ein magisches. Mit anderen Worten: Ein Wandler, der aus dreißig Faden Höhe auf einem Felsen aufschlägt, wird danach auch tot sein – mausetot.«

»Nur wird er nicht aufschlagen. Denn er ist in der Lage, sich während des Falls in ein fliegendes Ungeheuer zu verwandeln.«

»Das, Admiral, ist eine andere Sache.«

»Er könnte es übrigens auch jetzt tun. Warum tut er es nicht?«

»Admiral! Ich bin ein Mensch wie wir alle hier. Ich habe keinen Zugang zum Denken dieser Kreatur.«

»Geschenkt! Aber vielleicht kann Er Uns erklären, warum Seine Leute nicht weiter auf dieses Ding schießen.«

»Käfer«, sprach eine leise, tiefe Stimme hinter ihnen.

Erschrocken fuhr Smaìgant herum. Bronnvir stand hinter ihm. »Haben wir nicht aus Arkana Kunde, dass die Pjoktoren schwarze Käfer an Land schmuggeln?«

»Richtig. So werden unsere Taktiker entschieden haben.«

»Er will sagen: Dieser Pjoktor bleibt unbehelligt, weil er …«

Layyenir nickte. »Weil seine Fracht keine Gefahr darstellt.«

Im gleichen Moment begann ein riesiger Tumult. Aus allen Rohren feuerten die Kriegsschiffe von Borossos. Sie feuerten und feuerten, als ob der Feind ihnen direkt gegenüberstünde.

»Was soll das?«, schimpfte Smaìgant und versuchte, mit seiner Stimme das Getöse zu übertönen.

»Was es auch sein mag«, rief Layyenir. »Dies ist wohl der Moment, den wir alle mit Spannung erwarten. Entweder ist dies ein Angriff oder ein Ablenkungsmanöver. In jedem Fall leitet es die nächste Phase des Kampfes ein.«

»Ein Ablenkungsmanöver«, rief van Gæhlen. »Da! Zwischen dem Rauch. Seht! – Das sind … seht! Das sind Flügel! – Ein Ungeheuer, ein Drache!«

»Drachen gibt es nicht!«, schnauzte Smaìgant. »Er benimmt sich, als käme Er aus Arkana.«

»Da, weitere!« Van Gæhlen klopfte Layyenir aufgeregt auf die Schulter. »Sechs sind es! – Ein halbes Dutzend Drachen!«

Tatsächlich versuchten drachenähnliche Wesen an Höhe zu gewinnen, als dem Baron das donnernde Grummeln eines lauten Feuerstoßes ins Wort fiel.

»Eure Leute feuern zurück«, schrie van Gæhlen aufgeregt. »Da, einen Drachen haben sie getroffen.«

Noch in der Luft zog sich das getroffene Wesen zu einem Ball zusammen, prallte mit einem großen Platschen auf die Wasseroberfläche und versank. Die fünf anderen fliegenden Ungeheuer hielten auf die Küste zu.

»Da!« Van Gæhlen deutete in die Ferne. »Da!«

»Was ist? Was will Er?«

»Schaut doch, Admiral. Dort war ein Pjoktor untergegangen. Aber Pjoktoren brennen nicht und trotzdem ist Rauch auf dem Wasser.«

»Rauch?«

»Richtig«, sagte Layyenir. »Hoffentlich haben unsere Leute das gesehen.« Er schnippte einen der Leibgardisten herbei und machte eine Geste mit der Hand. Daraufhin eilte der Wachsoldat nach hinten, um den Vorfall zu melden.

»Was ist? Was tut Ihr?«, fragte van Gæhlen.

»Die Pjoktoren tragen Schattengeister über unser Land«, erwiderte Layyenir. »Das heißt, unsere Angreifer sind nicht diese Drachen, sondern das, was sie mit sich führen.«

Wieder gab es einen Feuerstoß aus den Verteidigungsanlagen Farias. Doch die drachenähnlichen Wesen hatten schon zu sehr an Höhe gewonnen. Sie hielten auf die Küste zu. Drei von ihnen gewannen weiter an Höhe. Zwei begaben sich in den Sturzflug, wodurch sie eine unglaubliche Geschwindigkeit erreichten. Vielleicht zwei bis drei Faden über dem Boden schossen sie auf die Verteidigungswaggons zu, aus denen im gleichen Moment …

»He, was ist das?«, rief van Gæhlen.

»Das sind unsere magischen Kämpfer«, erwiderte Layyenir, als sich hinter den Waggons acht fliegende Teppiche erhoben. »Jeder bemannt mit zwei Personen. Und jeder mit den Gefahren vertraut, die wir aus vergangenen Berichten kennen.«

Nahezu gleichzeitig gellten fünf Schläge durch die Ebene. Zwei explosive Geschosse schlugen krachend in Waggons des Verteidigungszuges ein und rissen sie in Stücke.

»Diese Ungeheuer haben Kanonen dabei …!« Layyenir verzog den Mund. Noch bevor er seinen Satz zu Ende sprechen konnte, griffen die magischen Krieger Farias die Pjoktoren von ihren fliegenden Teppichen aus an. Doch die waren an einem Kampf nicht interessiert und wichen zurück.

»Das ist ein Ablenkungsmanöver. Die sollen unsere Kämpfer weglocken«, erklärte Layyenir ruhig.

Und tatsächlich – die Kämpfer auf den fliegenden Teppichen brachen ihren Angriff ab.

»Zu dumm«, wertete der Admiral. »Nun hat der Feind das Heer Farias herausgefordert und Seine Armee hat ihre Verteidigungstaktik offenbart.«

»Ja, bedauerlich«, gab Layyenir zu. »Mit dieser Einheit hätten wir sie gerne überrumpelt.«

»Überrumpelt?«, rief van Gæhlen. »Ihr! – Ihr habt Euch überrumpeln lassen!«


Tatsächlich waren die Explosionen in den Waggons nur ein Ablenkungsmanöver gewesen. Denn während die drachenähnlichen Ungeheuer in geringer Höhe über dem Boden die tödlichen Kanonenschüsse abgaben, flogen über ihnen drei weitere.

Eigentlich hätten die keine Chance gehabt gegen sechzehn magische Krieger auf acht fliegenden Teppichen. Durch die Explosion waren Farias Einheiten aber kurz abgelenkt. Ihnen entging dabei ein kleines, aber wichtiges Detail: Nicht nur die beiden unteren fliegenden Ungeheuer trugen eine Kanone. Nein, auch die drei Oberen taten es. Und auch die hatten ihre Geschütze abgefeuert. Wie es zunächst aussah, einfach nur in den leeren Himmel hinein. Zur Verwirrung trug bei, dass die fliegenden Ungeheuer ihre Kanonen direkt nach dem Abfeuern fallen ließen.

Smaìgant und Layyenir warfen sich einen kritischen Blick zu, als van Gæhlen wieder schrie: »Da! Da seht!« 

Danach brach ein Chaos aus.

Die drei oberen Ungeheuer hatten eine eigenwillige Konstruktion von Geschoss abgefeuert, das keineswegs Sprengstoff enthielt. Es handelte sich um eine hohle Stahlkugel mit einem Einlassloch. In jeder dieser drei Stahlkugeln verbarg sich ein Schattengeist.

In der allgemeinen Verwirrung mit den explodierenden Waggons und den herabfallenden Kanonen schossen zwei Schattengeister herab und fuhren nacheinander in einige von Farias Bodentruppen. Der Dritte war besonders verschlagen: Es wusste, dass er gegen einen magischen Krieger nichts ausrichten konnte. Darum fuhr er im Moment größter Verwirrungen in dessen abgelenkten Piloten.

 

Von Fünfbrücken aus war nur zu erkennen, dass ein großer Tumult begann. Die drachenähnlichen Ungeheuer hatten abgedreht und suchten das Weite. Es verfolgte sie auch niemand über die offene See, denn das Augenmerk aller war auf die Rettung der eigenen Leute gerichtet. Abgesehen davon gab es da ja die bekannte Problematik mit fliegenden Teppichen und dem Ozean.

»Was ist das?«, fragte Smaìgant, als der erste Krieger Farias von einem fliegenden Teppich herabfiel. Kurz darauf ein zweiter. Dabei entging Smaìgant, dass sich auf dem Boden gerade jeder gegen jeden erhob. Die Schattengeister brachten die Soldaten Farias dazu, sich gegenseitig anzugreifen. So starben in wenigen Augenblicken viele hundert Krieger nicht durch die Hand des Feindes, sondern durch Armbrüste ihrer eigenen Kameraden. Erst als einzelne Krieger auf die Waggons kletterten und mit ihren Armbrüsten drei der eigenen magischen Kämpfer von ihren Teppichen herunterschossen, ahnte man auf Fünfbrücken, was dort unten gerade vor sich ging.

»Da! Da!«, rief van Gæhlen wieder und deutete auf das offene Meer.

Die verbliebenen schweren Kriegskreuzer von Borossos’ Flotte nahmen wieder Fahrt auf und stellten die Segel in den Wind. Langsam kamen sie näher, um kurz vor dem Eintritt in die schwimmenden Felsen die Segel wieder abzutakeln und sich trotzdem auf geheimnisvolle Weise weiter durchs Wasser zu bewegen.

»Was ist da los?«, fragte Smaìgant streng und blickte zu Layyenir. Wo sind die Orcas?

Der machte eine beschwichtigende Geste und sagte keinen Ton.

Gebannt verfolgte man von der Aussichtsplattform aus, wie zwei Segelkreuzer in das Felsenlabyrinth der Sûq-Allabaîn einbogen.

»Kann es sein«, fragte van Gæhlen, »dass diese rauchigen Schattengeister, während wir alle abgelenkt waren, Eure Killerwale zurück ins offene Meer hinausgeführt haben?«

»Orcas hin oder her!«, schnauzte Smaìgant. »Wir waren selbst Kapitän auf stolzen Fregatten dieser Art. Uns leuchtet nicht ein, was der Feind mit diesem Manöver bezwecken will. Selbst wenn seine Viermaster von Nixen gezogen würden – wäre es nahezu unmöglich, mit ihnen unbeschädigt ans Festland heranzukommen. Eine Schande für solche stolzen Schiffe. Was in aller Welt haben die vor?«

»Ja«, murmelte Layyenir. »Was wollen die?«

Bumm, Bumm, Bumm – nach langer Pause feuerten wieder Kanonen. Smaìgant verzichtete darauf nachzufragen. Es war offensichtlich, dass man im Kastell der fünf Brücken keinen Angriff aus dem Meer erwartet hatte. Es gab zwar eine Handvoll Geschütze. Aber auf einen ernst zu nehmenden Angriff von See – hier, an den Sûq-Allabaîn – war man nicht vorbereitet. 

Smaìgant verzog den Mundwinkel und nickte kurz in sich hinein. Auch er hätte diesen Abschnitt als uneinnehmbar eingestuft. »Wenn der Feind ein solches Risiko eingeht«, sagte er, »und diese Fregatten so unvernünftig nah ans Festland zieht, sodass selbst mithilfe der Nixen keins dieser Schiffe je wieder das Felsenlabyrinth verlassen wird … Es muss sich etwas in deren Innerem befinden, das dem Feind einen Vorteil bietet.«

Kleine Explosionen schreckten die Gruppe auf. Eine von Egyras’ Fregatten schoss ganze Salven davon ab. Layyenir tauschte mit Bronnvir kritische Blicke aus. Dann machte Bronnvir mit dem Kopf ein Zeichen zum Eingang.

»Es tut mir leid, verehrte Abgeordnete«, sagte Layyenir. »Aber der Feind setzt Waffen ein, deren Wirkungsweise uns nicht vertraut ist. Wir sind hier oben zwar sehr sicher. Bevor es jedoch zu Verletzungen kommt, begeben wir uns lieber wieder nach drinnen.«

Smaìgant blickte zu van Gæhlen und verzog missmutig den Mund. Er klopfte ihm auf den Rücken und die beiden folgten Layyenir.

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