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Meinung: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – eine Illusion?

von Thomas Poppner

Ich bin kein Feminist, um das gleich klarzustellen. Ich bin aber für Gleichberechtigung und Gerechtigkeit. Und das über alle Geschlechter, Hautfarben und Überzeugungen hinaus.

Ich bin sehr dafür, den Schwachen zu helfen. Aber ich bin gegen Opfer-Selbst-Inszenierungen – sprich, halb gar gekochte Fakten so lange zu wenden, bis ich irgendwie benachteiligt wirke, um dann Solidarität einzufordern.

Wir sind nämlich alle Opfer, Täter, Bevorzugte und Benachteiligte – je nachdem, wie oft wir unsere Situation drehen und aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten. In meinen Augen sollten wir eher an unserem Mindset arbeiten, statt chronisch auf andere zu zeigen, die gefälligst Rücksicht auf uns zu nehmen haben.

Leider wirkt auf mich die so unterstützenswerte Debatte um gleichen Lohn für gleiche Arbeit wie einer Luftnummer.

Zehn Jahre meines Lebens verbrachte ich in mehreren Personalabteilungen als Gehaltssachbearbeiter. Das größte Unternehmen hatte 1.800 Mitarbeiter. Seit nun über zwanzig Jahren engagiere ich mich im Anschluss an diese Zeit im Betriebsrat. Ich bin also bis heute dran – am Thema.

Immer wieder sehe ich eine gewisse Verklärtheit, mit der das Thema Gleichberechtigung in der Bezahlung diskutiert wird.

Was ich hier schreibe – um das deutlich hervorzuheben –, ist meine private Ansicht anhand von völlig aus der Luft gegriffenen Beispielen, die nichts mit irgendeinem Unternehmen, in dem ich jemals gearbeitet habe, zu tun haben.

Ich selbst habe in den Achtiger-Jahren zum ersten Mal über ein System gerechter Bezahlung nachgedacht. Heute weiß ich: gerechte Bezahlung oder völlig gleichberechtigte Bezahlung – das ist nicht möglich. Es ist ein berechtigter Wunsch, eine schöne Illusion – wie ein Leben, das vollständig im Einklang mit der Natur steht.

Das Thema der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen möchte ich hier nicht ansprechen. Dies bedarf eines eigenen Blogbeitrags. Dem stelle ich mich gern, aber nicht heute. Ich möchte mich davon allerdings inspirieren lassen.

Datenschutz als Hindernis gleicher Bezahlung?

Ich bin kein besonderer Freund von Datenschützern. Die haben mit der DSGVO das umgesetzt, was ich beim Gendern gern verhindern würde: Alles ist kompliziert geworden. Und? Was haben wir davon? Allein im Internet: Auf jeder Website musst du nun Banner anklicken und Informationen abrufen können, die niemand lesen will. Genau das passiert, wenn man Perfektionisten an die Macht lässt.

Es gibt keine perfekte Welt. Es wird sie niemals geben. Und wer glaubt, sie durch Regeln perfekter machen zu können, wird bald so viele Regeln erstellt haben, dass das Leben in dieser Welt entweder keinen Spaß mehr macht oder unmöglich ist.

Was können wir selbst tun, um gerechter bezahlt zu werden?

Durch meine lange Zeit in verschiedenen Personalabteilungen habe ich jede Hemmung abgelegt, über mein Gehalt zu sprechen. Ich wusste damals, was ich verdiene, was meine Kollegen verdienen, was mein Chef verdient. War das schlecht?

Ich finde nicht. Wenn ein Vorgesetzter in einem offenen System dem einen mehr geben möchte als dem anderen, muss er das lediglich ein wenig besser begründen. Das ist alles. Ganz sicher gäbe es dadurch auch mal ein Donnerwetter. Donnerwetter haben allerdings auch eine reinigende Wirkung. Und sobald man sich daran gewöhnt hat, ist es völlig normal.

In meinen Augen ist das eine sehr gute Lösung. Durch viele Urlaube in Schweden erfuhr ich, dass man dort ganz anders vorgeht. Ich habe diese Information nicht überprüft, aber mehrfach gehört, man könne dort die Steuererklärung seines Nachbarn im Internet abrufen und Gehaltslisten aller Angestellten hingen am Schwarzen Brett aus.

Wäre ich König von Deutschland, würde ich es genauso bestimmen. Denn ein Grund für ungerecht empfundene Bezahlung ist ja gerade die Geheimniskrämerei, die wir darum machen.

Redet über euer Gehalt, Leute. Das kann euch niemand verbieten.

Warum tut ihr es aber nicht? Weil ihr glaubt, ihr könntet mehr verdienen als euer Kollege. Und so verzichten wir lieber auf Klarheit, die allen viel, viel größere Verhandlungsspielräume ermöglichen würden, statt einfach darüber zu sprechen wie über alles andere auch.

Ihr redet mit euren Kollegen doch auch über eure Krankheiten – das sind viel schützenswertere Daten – kopfschüttel.

Die Rechtslage zur gleichen Bezahlung

Ich bin kein Anwalt, dies ist keine Rechtsberatung und die Notwendigkeit dieses Satzes ist in meinen Augen eine dieser Formulierungen, die sich Perfektionisten ausgedacht haben, um sich selbst wichtig nehmen zu können, aber die Welt nicht einfacher zu machen. Als ob wir nicht alle erwachsene Menschen wären. Bald werde ich sicher auch eine alte Oma aufklären müssen, dass ich kein ausgebildeter Altenpfleger bin, bevor ich ihr über die Straße helfe.

Nehmen wir an, in einem Unternehmen arbeiten 10 Mitarbeiter als Kundenbetreuer und jeder bearbeitet einen anderen Buchstabenkreis an Kunden.

Neun Mitarbeiter erhalten 3.000 Euro Monatsgehalt. Einer bekommt nur 2.500 Euro, weil ER eine Frau ist, seinem Chef dessen Hautfarbe, Religion oder Frisur nicht gefällt oder auch einfach, weil er blöd ist. Das ist verboten. Und das ist auch gut so.

So sieht aber die Wirklichkeit nicht aus. Eher ist es so, dass jeder etwas anderes verdient und die Spanne von 2.500 Euro bis 3.500 Euro reicht. In einer solchen Konstruktion hast du es sehr schwer, zu argumentieren, dass du benachteiligt werden würdest.

Und wenn du selbst zuständig wärst, würdest du schnell erkennen, dass es unabhängig von der Stellenbeschreibung jede Menge Faktoren gibt, die eine unterschiedliche Bezahlung rechtfertigen könnten, obwohl alle textlich die gleiche Stellenbeschreibung unterschrieben haben.

Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit

Immer wieder lese ich das Standardbeispiel: Ein Mann und eine Frau sitzen sich gegenüber, bearbeiten die gleiche Sache, aber der Mann verdient mehr.

Dies – liebe Leser – passt sicher vielen ins argumentative Konzept. Wahr ist es so allerdings nicht. Selbstverständlich gibt eine solche Situation. Aber es gibt sie auch anders herum.

Denn unabhängig von unserem – sicher für die meisten von uns erstrebenswerten – Gleichberechtigungswunsch, gibt es durchaus Gründe dafür, dass zwei Kollegen mit gleichem Aufgabengebiet unterschiedlich bezahlt werden.

Und machen wir uns nichts vor. Wären wir Chef eines kleinen Unternehmens – mit großer Sicherheit würden wir die Bezahlung nicht anders handhaben.

Darum trennen wir uns an dieser Stelle von allen, die sich schon für eine Debatte zur unterschiedlichen Bezahlung der Geschlechter warmgelaufen haben und wenden uns den Gründen der unterschiedlichen Bezahlung im Generellen zu.

Wir sprechen nun also von zwei Mitarbeitern (m/w/d). Ich werde die männliche Form verwenden, ihr dürft gedanklich aber gern einsetzen, was immer ihr wollt.

Unternehmerisches Denken

Schlüpfen wir zunächst einmal in die Rolle eines Unternehmers. Wir werden jetzt für einen kurzen Moment unser eigener Chef sein. Niemand schreibt uns etwas vor, niemand kontrolliert, ob und wann wir am Arbeitsplatz sind, ob wir produktiv arbeiten oder lieber Katzenvideos ansehen. Wir können tun und lassen, was wir wollen – theoretisch.

Praktisch gibt es allerdings eine Instanz, die uns kontrolliert und uns Vorgaben macht: unsere Kunden. Ohne Kunden – kein Umsatz. Ohne Umsatz – keine Kohle. Und ohne Kohle – kein eigenes Unternehmen mehr.

Der Markt als Chef deines Chefs

Wir sind also abhängig von einem Markt. Dieser Markt trifft seine Kaufentscheidung …

  • aufgrund der Qualität unseres Produkts
  • aufgrund des Aussehens unseres Produkts
  • aufgrund des Preises unseres Produkts
  • aufgrund des Services, den wir bieten
  • aufgrund des Rufs, den unser Unternehmen hat

Mit anderen Worten.

  • Bieten wir schlechte Qualität – verlieren wir Kunden
  • Sieht unser Produkt Scheiße aus – verlieren wir Kunden
  • Ist unser Produkt zu teuer – verlieren wir Kunden

Und so weiter.

Wir haben also als Chef eines Unternehmens auf einige Eckdaten zu achten, damit unsere Firma auf Kurs bleibt und nicht pleite geht oder von jemand anderem übernommen wird.

Der Trugschluss der Gleichberechtigung

Backen wir uns eine kleine Firma. Du bist Chef und kümmerst dich um Marketing, Buchhaltung und Einkauf.

Deine kleine Firma hat einen Mitarbeiter. Dieser Mitarbeiter baut dein Produkt zusammen und bearbeitet alle Bestellungen einschließlich Produktversand, Rücknahme und Reklamationen.

Lassen wir mal außen vor, ob das realistisch ist. Wir arbeiten mit Vereinfachungen, um ein Gefühl für die Problematik zu entwickeln.

Dein Mitarbeiter erhält 3.000 Euro brutto – ebenfalls aus Vereinfachungsgründen.

Dein Unternehmen wächst

Schon seit einiger Zeit arbeitest du in der Produktion bzw. im Versand mit. Dein Produkt wird nachgefragt, die Nachfrage rechtfertigt die Einstellung eines weiteren Mitarbeiters. Du führst also Vorstellungsgespräche.

Vor dir sitzt nun eine geeignete Person. Gewünschte Fähigkeiten, vertrauenswürdiges Auftreten, gute Manieren, motivierter Charakter – alles super. Du sagst, dass du dir eine Zusammenarbeit vorstellen könntest. Aber eine Frage hast du dann doch noch. »Welche Vergütung hätten Sie sich denn vorgestellt?«

Dein Gegenüber ist noch relativ jung, zeigt Interesse an deinem Produkt – ist im Idealfall sogar ein Fan davon – und sähe es als Chance an, bei dir zu arbeiten.

2.500 Euro lautet die Gehaltsvorstellung.

Was tust du nun? Du schlägst ein?

Die Ungerechtigkeit nimmt ihren Lauf

Ab dem nächsten Monat hast du nun zwei Mitarbeiter. Beide sitzen sich gegenüber, beide bearbeiten das Gleiche. Der eine verdient aber 3.000 Euro, der andere 2.500 Euro.

Ist das gerecht?

Die Funktionsweise des Marktes

Ja. Es mag uns nicht gefallen, aber genauso ist es gerecht.

Du als Unternehmer bist Teil eines Marktes. Dieser Markt bestimmt auch den Preis, den dein Produkt erzielen kann. Und gleichzeitig kann der Preis deines Produkts ein Kaufkriterium sein.

Eine gute Arbeitskraft günstig einzukaufen kann eine durchaus kluge unternehmerische Entscheidung sein. Es muss nicht. Es kann.

Ich rede nicht von Ausbeutung. Apropos Ausbeutung. Streiche dir doch bitte mal mit der flachen Hand über den Oberschenkel. Was fühlst du da?

Zweierlei Maß

Es ist eigentlich völlig egal, was du da fühlst. Es wird höchstwahrscheinlich ein Kleidungsstück sein. Wenn du gerade nackig bist, stell dir vor, du hättest eine Jeans an.

Es besteht eine gute Chance, dass dein Kleidungsstück irgendwo in einem Billiglohnland für einen Hungerlohn hergestellt wurde. Deine Jeans wurde wahrscheinlich irgendwo in der Türkei gestonewashed. Denn weil du ja auf den ausgewaschenen Stil stehst, ruinieren sich für dich ein paar arme Schweine ihre Gesundheit, indem sie ohne Handschuhe mit sehr ungesunden Chemikalien arbeiten.

Das, liebe Freunde, ist der Skandal. Und ich gestehe, dass auch ich keine Ahnung habe, woher meine Jeans kommt. Damit bin ich Teil dieses Ausbeutungs-Klubs. Aber egal, ob wir über Jeans, Turnschuhe oder das neuste iPhone sprechen. So ziemlich alles, was bei uns herumsteht, wurde in einer Galaxie, weit, weit entfernt hergestellt. Und wir reden es uns schön, indem wir im Idealfall von fairer Bezahlung sprechen – fair Trade.

Meiner persönlichen Ansicht nach ist nichts davon fair. Wäre es fair, wären unsere Wohnungen sehr klein und sehr leer. Unser Kleiderschrank auch und unser Speiseplan erst recht.

Wir leben und unterstützen dieses System

Es mag uns gefallen oder nicht. Wir alle sind Teil dieses Systems und können ihm auch nicht entfliehen. Das muss uns nun nicht daran hindern, Werte zu haben und die Welt wenigstens in kleinen Teilen zu verbessern. Im Gegenteil.

Was aber unser moralisches Eigenbild betrifft und vor allem die moralische Keule, mit der wir auf anderen herumschlagen, sollten wir vielleicht die Kirche ein wenig mehr im Dorf lassen.

Der Markt regelt auch Gehaltsveränderungen

Um unsere begonnene Geschichte zu einem erstrebenswerten Zwischenstand zu bringen, bist du ein Chef, der verantwortlich handelt.

Dein neuer Mitarbeiter ist einige Monate bei dir. Du rufst ihn herein, lobst ihn für seine Arbeit und teilst ihm mit, dass er eine Gehaltserhöhung von 250 Euro erhält.

Dein neuer Mitarbeiter wächst dabei fast um 5 cm und macht Luftsprünge, als er dein Büro verlässt. Nun bekommt er 2.750 Euro pro Monat. Das ist immer noch weniger als das Gehalt seines Kollegen. Aber er ist glücklich.

Der Wunsch, gute Mitarbeiter zu halten

Einige Monate später sprichst du mit einem befreundeten Unternehmer. Der klagt über große Probleme mit seinen Mitarbeitern. Viele Menschen hätten heute eine katastrophale Einstellung, wären ständig krank, schwätzen, seien nicht produktiv, übernähmen keine Verantwortung.

Du berichtest von deinen beiden Mitarbeitern und stellst fest, dass du offenbar ein einer glücklichen Lage bist. Dein Freund gibt dir den Tipp, darauf zu achten, dass deine guten Leute bei dir bleiben.

Also rufst du nach einem halben Jahr deinen jüngeren Kollegen herein und lobst ihn erneut für seine Arbeit und eröffnest ihm, dass er nun auch 3.000 Euro Monatsgehalt erhält.

In seiner Welt bist du nun ein toller Chef. In deiner ist er ein wertvoller Mitarbeiter. Ein Happy End? Nein. Wir wollen uns ja gerade damit beschäftigen, wie unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Arbeit entstehen kann.

Der Trugschluss der gleichen Arbeit

Weiterhin bearbeiten deine beiden Mitarbeiter exakt die gleichen Dinge. Aber arbeiten sie wirklich gleich?

Kriterium Produktivität

Du bist nun schon eine Weile Unternehmer und möchtest dein Controlling ausbauen.

Nun erstellst du Auswertungen und staunst über das Ergebnis.

Mitarbeiter A baut pro Tag 10 Produkte zusammen und versendet diese auch. Mitarbeiter B bringt es aber konsequent auf 12 Produkte.

Du prüfst noch einmal die Zahlen, schaust dir Monats- und Wochenwerte an. Egal wie du es drehst – Mitarbeiter B ist produktiver.

Bei über den Daumen gepeilt 200 Arbeitstagen sind das im Jahr 400 Produkte mehr. Nach Abzug aller Kosten bleiben von jedem Produkt 20 Euro hängen. Macht 8.000 Euro – nicht mehr Umsatz, nein 8.000 Euro mehr Gewinn fährt Mitarbeiter B durch seine höhere Produktivität ein.

Was tust du? Du rufst Mitarbeiter B in dein Büro und erhöhst sein Gehalt um 200 Euro.

Mitarbeiter B arbeitet produktiver und bringt deiner Firma mehr Gewinn. 200 Euro pro Monat sind 2.400 Euro im Jahr. Plus Sozialversicherung kostet dich das also um die 3.000 Euro.

8.000 Euro höheren Gewinn Minus 3.000 Euro Gehaltserhöhung macht 5.000 Euro, die für die Firma an Gewinn hängen bleiben. Das ist fair für alle. Oder etwa nicht?

Wie immer du es interpretieren willst. Mitarbeiter A und B haben das gleiche Aufgabengebiet. Aber ihre Gehälter sind 3.000 Euro zu 3.200 Euro pro Monat.

Gerecht oder nicht?

Und noch eine ketzerische Frage. Du als Chef verdienst an deinem Mitarbeiter B immer noch 5.000 Euro mehr. Er bekommt für seine bessere Produktivität aber nur 2.400 Euro mehr im Jahr. Wie gerecht ist das eigentlich?

Kriterium Reklamationsquote

Ein weiteres Jahr ist ins Land gegangen und du hast dein Controlling erweitert. Immer noch arbeitet Mitarbeiter B 20 % produktiver als Mitarbeiter A.

Nun aber schaust du dir die Rücksendequote an. Kann das sein?

Bei Mitarbeiter A wird alle zwei Wochen ein Produkt mit Reklamationen zurückgeschickt. Von Mitarbeiter B alle zwei Tage.

Mit anderen Worten: Eins von 100 der von Mitarbeiter A produzierten Produkte gibt Anlass zu Reklamationen. Bei Mitarbeiter B ist es eins von 24 Produkten.

Die Reklamationsquote beträgt also 1 % zu 4 %.

Ja, es stimmt: Mitarbeiter B erstellt 2 Produkte mehr am Tag. Er erzeugt aber auch viermal so viele Reklamationen wie Mitarbeiter A.

Und was hatten wir oben gesagt: Die Qualität deines Produkts ist ausschlaggebend für deinen Erfolg.

Ein Blick in die Amazon-Bewertungen zeigt schnell, dass Reklamationen dort erwähnt werden.

Du bestellst beide Mitarbeiter ein, liest ihnen einige Amazon-Bewertungen vor. Für das kommende Jahr gibst du die Parole aus, dass Qualität oberste Priorität hat.

Um dein Argument zu unterstreichen, erhöhst du die Bezüge von Mitarbeiter A im Beisein von Mitarbeiter B um 300 Euro.

Nun sitzen deine beiden Mitarbeiter zusammen. Der eine verdient 3.300 Euro pro Monat, der andere 3.200 Euro.

Gerecht oder nicht?

Kriterium Kundenwirksamkeit

Wieder ist ein wenig Zeit ins Land gegangen. Und wieder hast du dein Controlling verbessert. Du legst nun besonderen Wert auf Qualität.

Die Sachlage ist folgende:

Mitarbeiter A: 10 Produkte am Tag, 1 % Reklamationsquote Mitarbeiter B: 12 Produkte am Tag, 4 % Reklamationsquote

Eigentlich lässt du deinen Mitarbeitern Freiheiten und verzichtest darauf, den Helikopter-Chef zu spielen. Aber das Qualitätsthema ist wichtig.

Im Lauf des Jahres sind deine beiden Mitarbeiter auch mal krank. Da springst du gern ein, krempelst als Chef die Ärmel hoch und arbeitest mit. So erhältst du eigentlich eher durch Zufall Zugriff auf deren Kundenkommunikation.

Zuerst ist Mitarbeiter B krank. Ja, die Reklamationsquote ist recht hoch. Aber die Kommunikation ist vorbildlich. Seine Mails sind einfühlsam und unkompliziert. Du glaubst, sogar Amazon-Bewertungen konkreten Vorgängen zuordnen zu können.

Kunden haben gute Bewertungen abgegeben, obwohl sie zunächst reklamieren mussten. Dein Unternehmen wurde gelobt, aufgrund seiner unkomplizierten und schnellen Vorgehensweise. Und die Produktivitätsquote von Mitarbeiter B ist konsequent höher – obwohl er mehr Arbeit mit seinen Reklamationen hat.

Nun ist Mitarbeiter A krank. Also der gewissenhaftere mit der geringeren Reklamationsquote. Und was du dort siehst, macht dich ärgerlich.

Denn Mitarbeiter A findet offensichtlich keinen so guten Draht zum Kunden. Bei Reklamationen diskutiert er herum, stellt sich auch mal stur oder beleidigt und antwortet erst verzögert.

Mit anderen Worten: Trotz der niedrigeren Reklamationsquote scheint Mitarbeiter A für die schlechteren Amazon-Bewertungen verantwortlich zu sein.

Was nun? Kriegt nun Mitarbeiter B wieder eine Gehaltserhöhung, sodass es nun 3.400 zu 3.300 Euro steht?

Wie hoch genau die Gehälter der beiden auch sein mögen. Ich denke, es stellt sich langsam ein Problembewusstsein ein, dass zwei Mitarbeiter mit einer textlich gleichen Stellenbeschreibung anhand von vielen Faktoren bewertet werden können.

Kriterium Verantwortungsbewusstsein

Nun wirst du als Chef krank. Corona trifft dich hart. Du fällst für vier Wochen aus und liegst sogar unansprechbar im Koma. Nun kommst du wieder zur Arbeit und stellst erfreut fest, dass es dein Unternehmen noch gibt.

Deine Mitarbeiter haben einige offene Punkte zu diskutieren.

Mitarbeiter A kommt herein und bringt einen Riesenstapel Mappen mit. Fragen, Probleme und Reklamationen der letzten Wochen.

Er wollte seine Kompetenzen nicht überschreiten und schwärzt seinen Kollegen an, der ein paar sehr mutige Entscheidungen getroffen habe. Einige Kunden warten nun schon seit einem Monat auf Erstattung.

Also gehst du schnell alles durch, entscheidest, drückst dem Mitarbeiter seine Akten wieder in die Hand und bittest ihn, die Reklamationen vorrangig abzuarbeiten. Die Kunden warten schon lange genug.

Nun kommt Mitarbeiter B herein. Er hat nur einen Zettel mit einer Aufstellung dabei.

»Sie waren ja nicht erreichbar«, beginnt er. »Damit die Kunden nicht warten müssen, habe ich darum mal so entschieden, wie ich es für richtig hielt. Bei zwei Fällen war ich unsicher, ob ich zu kulant war. Dieser hier und dieser hier.«

»Kein Problem«, antwortest du. »Sie haben das schon richtig gemacht. Es musste halt in einer Krisensituation eine Entscheidung getroffen werden.«

»Apropos Krisensituation«, erwidert dein Mitarbeiter. »Wir mussten darüber hinaus auch noch weitere Entscheidungen treffen. Unser Hersteller hatte ein Problem mit der Lieferung der Platinen. Wir konnten ja nicht da sitzen und nichts tun. Da habe ich mich um einen anderen Hersteller bemüht, der die Dinger aber 25 % teurer anbietet. Um Rabatte auszunutzen, habe ich dort nun Material für drei Monate bestellt. Ich habe darum auch den Verkaufspreis unseres Produkts neu kalkuliert und angepasst. Dies hier ist meine Berechnung. Ich wusste nicht, was ich sonst hätte tun können. Sie lagen ja im Koma.«

Bald darauf erhält Mitarbeiter B eine Gehaltserhöhung auf 4.000 Euro. Das sind 600 Euro mehr als Mitarbeiter A, obwohl beide die gleiche Aufgabe haben.

Für dich als Chef des Unternehmens ist klar, dass du Mitarbeiter B gern motivieren und halten willst. Denn als du ausgefallen bist, hat er Verantwortung übernommen und dein Unternehmen am Laufen gehalten.

Du hast also einen Mitarbeiter, auf den du dich unbedingt verlassen kannst. Nichtsdestotrotz bleibt die Stellenbeschreibung deiner beiden Mitarbeiter die gleiche. Und mit dem geringer bezahlten Mitarbeiter A bist du auch nicht unzufrieden. Im Gegenteil. Er arbeitet sehr gewissenhaft.

Kriterium Betriebsfrieden

Fünf Jahre später hat dein Unternehmen eine ganze Reihe weiterer Mitarbeiter. Um unser Beispiel hier vergleichbar zu halten, machen diese inzwischen über zehn Mitarbeiter alle die gleiche Arbeit. Ein schwarzes Schaf ist dabei.

Dass bei der Arbeit geschwätzt wird, stört dich weniger. Aber es wird übereinander geschwätzt. Es wird manipuliert. Es werden Verantwortungen auf andere abgeschoben. Fehler werden anderen zugeschrieben. Die gegenseitige Unterstützung nimmt ab. Eigenbrödlertum nimmt zu. Die Produktivität sinkt, Reklamationsquoten steigen, es kommt zu Kündigungen.

Und warum. Weil ein Mitarbeiter zwar seine arbeitsvertraglichen Pflichten so weit erfüllt, dass du ihm nicht ans Bein pinkeln kannst. Gleichzeitig stört er aber den Betriebsfrieden, fühlt sich ständig ausgenutzt, obwohl das nicht der Fall ist und versucht, Aufgaben abzuschieben.

Im Lauf unseres Berufslebens begegnen uns sicher allen solche Menschen. Häufig – so meine Beobachtung – sind diese Menschen nicht in der Lage, sich selbst zu hinterfragen. Sie fühlen sich als Opfer, sind aber Täter. Aber ihre Überzeugung, das Opfer zu sein, verteidigen sie mit großer Bestimmtheit.

Und nun bezahlst du sie auch noch schlechter – Skandal!

Dem Mitarbeiter bestätigst du damit, dass er tatsächlich benachteiligt wird. Tja, und vielleicht ist das tatsächlich so, weil du dir wünschst, dass er sich doch einfach etwas anderes sucht und dein Unternehmen verlässt.

Gerecht oder ungerecht?

Kriterium Zusatzaufgaben

Einer deiner Mitarbeiter zeigt Interesse an der IT-Installation. Bisher wurde vieles für teures Geld von einem externen Dienstleister betreut.

Aber deinem Mitarbeiter macht es Freude, sich damit zu beschäftigen und er kümmert sich sofort, wenn es Probleme mit der EDV gibt.

Sein Aufgabengebiet ist immer noch das gleiche wie das seiner Kollegen. Aber wegen seines Computer- und Netzwerkwissens willst du ihn gern ans Unternehmen binden. So verdient auch er etwas mehr als seine Kollegen.

Für einen Vollzeit-EDV-ler hast du nicht genügend Arbeit. Aber da dein Mitarbeiter sehr schnell Probleme löst, profitiert dein Unternehmen davon. Zum einen von kürzeren Ausfallzeiten. Zum einen von geringeren Kosten, die auf externe Dienstleister entfallen.

Seine Stellenbeschreibung aber, ist die gleiche wie bei allen anderen auch.

Ist es nun gerecht, ihm etwas mehr zu geben? Oder nicht?

Kriterium Vergütungserhalt

Dein Unternehmen hat nun einige Jahre auf dem Buckel und deine Mitarbeiter auch.

Was tust du, wenn die Leistung eines ehemals guten Mitarbeiters nachlässt? Passt du dann seine Bezüge nach unten an? So einfach geht das nicht. Denk auch an das Signal, das du damit in deine Mitarbeiterschaft gibst.

Gegenargument: Man muss auch an das Symbol denken, wenn der gut bezahlte Mitarbeiter B mit seinem hohen Gehalt jemandem mit niedrigerem Gehalt gegenübersitzt, obwohl es keine Rechtfertigung mehr für dessen Höherbezahlung gibt.

Ja. Das sind die Dinge, die man nicht auflösen kann. Es wird solche Fälle immer geben.

Ich persönlich halte nichts davon, Mitarbeitern, die krank werden, das Gehalt zu kürzen. Wenn jemand nicht mehr kann, sieht es häufig so aus, als ob jemand nicht mehr will. Das ist aber ein falscher Schluss, der häufig aus einem Neidgefühl heraus geäußert wird.

Ich werde diesen Punkt nicht weiter diskutieren. Krankheit, das ist ein weites Feld, welches bei Hypochondern beginnt, über Mobbing, Depressionen bis Krebs reicht und ebenso durch das private Umfeld wie auch einen bescheuerten Chef beeinflusst werden kann.

Ich habe in über zehn Jahren Personalabteilungsarbeit und zwanzig Jahren Betriebsratsarbeit sehr schlimme Dinge bis hin zum Selbstmord gesehen. Habt ein Herz für kranke Menschen – es könnte sein, dass ihr irgendwann selbst in die gleiche Lage kommt.

Kriterium Alter

Und schließlich noch etwas Allgemeines, bei dem es mich wundert, dass es jeder schluckt und hinzunehmen scheint: die angeblich so normalen Tarifgruppentabellen mit Berufsjahresstufen.

Wer genau legt denn eigentlich fest, dass ein jüngerer Mitarbeiter weniger verdient als ein älterer? Haben wir nicht alle schon in jungen Jahren mit älteren Flaschen zusammengearbeitet? Natürlich haben wir das. Aber haben wir Älteren den Jüngeren nicht einiges an Erfahrung voraus? Ja, klar haben wir das auch.

Es verhält sich beim Alter wie bei allem anderen auch. Das Alter allein kann kein Kriterium sein, um jemanden besser oder schlechter zu bezahlen. Es ist aber so und wir alle haben uns daran gewöhnt. Niemand scheint sich daran zu stören. Denn die Gewerkschaften haben das mit den Arbeitgeberverbänden so ausgearbeitet.

Stellt euch mal vor, sie hätten unterschiedliche Tarife für Frauen und Männer ausgehandelt. Die Sache mit Alt und Jung ist in meinen Augen ganz genauso abwegig. Aber sie wird akzeptiert und ein junger Mensch freut sich über die Gehaltserhöhung in die Tarifgruppe 7, obwohl er trotzdem weniger verdient, als ein weit weniger qualifizierter, aber deutlich älterer Kollege in der Tarifgruppe 5. Ist das wirklich gerecht?

Nehmen wir einmal meinen ehemaligen Job als Gehaltssachbearbeiter von vor 25 Jahren. Nach meiner damaligen persönlichen Einstufung in der Tarifgruppe 7 gäbe es in der heutigen Tabelle ein Delta von 900 Euro (!) pro Monat – abhängig davon, ob ich nun im fünften oder im elften Berufsjahr bin.

Anders ausgedrückt. Ohne, dass ich etwas tue oder mich irgendwie qualifiziere, stiege mein Gehalt innerhalb von sechs Jahren um 900 Euro.

Von Erfahrung spricht nun jeder. Dazu hatte ich mich damals geäußert, denn ich bekam 1996 einen fachfremden Kollegen. Zu dem sagte ich zu Beginn, er brauche 2 Jahre, bis er sich einigermaßen sicher fühlt und 4 Jahre bis er die Aufgabe vollständig beherrschen würde.

Ich lebe nun lange genug auf diesem Planeten, um zu verstehen, dass sich in dieser Sache nur langsam etwas ändern wird. Hat sich auch, denn wer weiß, von welchem Tarifvertrag ich rede, wird auf die korrespondierende Tarifgruppe C1 für Neueinstellungen aufmerksam machen. Dort beträgt das Delta nur noch 418 Euro bei 9 Tätigkeitsjahren.

Aber auch das möge man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: In einem Job, den ich nach eigener Erfahrung nach 4 Jahren beherrsche, erhalte ich also nach 9 Jahren erst den vollen Satz. So, so.

Wenn ihr euch über Ungleichheiten aufregen möchtet, liebe Leser, dann hier.

So, und nun vergessen wir diesen Abschnitt wieder, weil ich ihn in mein Fazit nicht einarbeiten kann. Wahrscheinlich alle Tarifverträge haben dieses Alterselement und es betrifft damit komplette Branchen und in diesen Branchen ist die Bezahlung auf einer solchen Basis akzeptierte Wirklichkeit.

Kommen wir also zurück auf die Dinge, die individueller steuerbar sind und ziehen ein …

Fazit

Gleiches Geld für gleiche Arbeit ist ein nachvollziehbarer Wunsch. Ich mag es, wenn Leute so denken, denn Gerechtigkeit ist ein wichtiger Wert unserer Gesellschaft.

Man sollte sich aber bewusst sein, dass unser Leben sehr komplex ist. Diese Komplexität gilt es zu bewerten und eine solche Bewertung wird jeder unterschiedlich vornehmen. Das ist leider so und wird sich auch niemals ändern lassen.

Wir müssen damit leben, dass wir selbst unseres Glückes Schmied sind. Sprich – uns selbst kümmern.

Jammern und auf eine imaginäre Gleichberechtigung in der Bezahlung pochen, die es doch bei genauem Hinsehen nicht gibt, hilft dir nicht und auch sonst niemandem. Entweder bist du dein Geld wert, dann fordere es oder such dir etwas anderes. Oder bleib und schließe Frieden damit – schon um deiner selbst Willen.

Ich streite ganz bestimmt nicht ab, dass es ungleiche Bezahlung bei textlich gleicher Stellenbeschreibung gibt. Aber meiner persönlichen Ansicht nach, würde es keinen Sinn machen, eine Mitarbeitergruppe aufgrund Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder sonstwas zu benachteiligen.

Eine Flasche allerdings, wird in einem Unternehmen immer etwas erfahren, das sie als Benachteiligung anprangern kann. Aber Überraschung: Es gibt Flaschen unter Männern, unter Frauen, unter allen Hautfarben, Religionen, Rechts- und Linksträgern, Klein- und Großwüchsigen.

Mitarbeiter sind ein Teil des Unternehmens. Wenn ich sie nicht will, stelle ich sie nicht ein. Aber wenn ich sie eingestellt habe, schneide ich mir doch ins eigene Fleisch, wenn ich sie nun aufgrund von Faktoren, die nicht mit dem Unternehmen zu tun haben, benachteilige.

Ich schließe nicht aus, dass es bescheuerte Chefs wie Bernd Stromberg gibt, die genau so etwas tun. Aber ein zu verallgemeinerndes System, das ich quasi Deutschland überstülpen kann – nein, tut mir leid. Das gibt es nicht.

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